Der Munizipalismus erobert die Städte. Immer mehr Kommunen werden von den Bürgerplattformen regiert und vernetzen sich global. Während Nationen den autoritären Rückwärtsgang einlegen, schauen Städte voraus – und lassen sich keine Angst einjagen.
"Ich war mehr oder weniger durch Zufall in die einzige Gemeinschaft von nennenswerter Größe in Westeuropa gekommen, wo politisches Bewusstsein und Zweifel am Kapitalismus normaler waren als das Gegenteil. Theoretisch herrschte vollkommene Gleichheit, und selbst in der Praxis war man nicht weit davon entfernt. Viele normale Motive des zivilisierten Lebens – Snobismus, Geldschinderei, Furcht vor dem Boss und so weiter – hatten einfach aufgehört zu existieren". Es war so ehrliche wie erstaunte Begeisterung, mit der George Orwell in seinem 1938 erschienenen Buch "Mein Katalonien" das kurzen Aufblühen eines pragmatischen Anarchismus während des Spanischen Bürgerkriegs schilderte.
Ein Hauch dieser Geschichte wehte, ganz unkriegerisch, am 13.6.2015 durch Barcelona. An diesem Tag wurde Ada Colau zur Bürgermeisterin gewählt. Calou kam ursprünglich von der „Plataforma de Afectados por la Hipoteca“ (PAH), die gegen Zwangsräumungen infolge der Finanzkrise mobilisierte, die Spanien besonders schwer getroffen hatte. Unter dem Motto Change begins in the cities trat sie in Folge mit der gemeinsamen Plattform Barcelona en Comú für den Marsch in die Institutionen und eine Öffnung der Stadtpolitik für die Bürger an.
Ihr Wahlprogramm entwickelte die Plattform in unzähligen Gesprächen mit der Bevölkerung und den Asambleas, den nachbarschaftlichen Versammlungen in den Stadtbezirken. Ihre Wahl zur Bürgermeisterin machte damals weit über Barcelona hinaus Schlagzeilen. Eine Bürgerbewegung an der Macht – und die Geburt eines neuen Begriffs: Munizipalismus. Dessen Ziele: Solidarität statt Neoliberalismus, Kommunen, die sich am Gemeinwohl orientieren, und vor allem: sich nicht in Gegnerschaft und Protest einzuigeln, sondern selbst in die Verwaltung zu gehen.