Nein, nordisch ist nicht skandinavisch. Das erzählt jeder Finne, wenn man ihn fragt. Ein Besuch bei der jüngsten Generation nordischer Kreativer

Wie sie sich alle in der großen Scheune versammeln, gut 300 Menschen unter ebenso 300 Jahre alten Holzbalken, könnte man es für eine Dorfversammlung halten. Nur die ungewöhnliche Kleidung fällt etwas heraus: hier grelles Grün, dort ein Hauch Yamamoto, einige originelle Brillengestelle, dort drüben ein sorgfältig kultivierter Handwerkerchic.

Es waren allesamt Zugehörige der finnischen Designszene, die sich hier im Mai bei der Eröffnung der Fiskars Design Biennale, etwa 100 Kilometer westlich von Helsinki, trafen. Und doch wäre die dörfliche Assoziation nicht falsch. Denn hier scheint jeder jeden zu kennen, und ganz Design-Helsinki ist heute vermutlich hier, in diesem malerischen Tal zwischen Birken, Vogelgezwitscher und plätscherndem Bach.

Es ist ein Eindruck, der sich überall in Finnland aufdrängt und von Finninnen und Finnen auf Nachfrage auch gern bestätigt wird: Alles hier ist familiär, es gibt kaum Hierarchien, das Elitäre ist den Finnen fremd, schließlich hatten sie in Jahrhunderten der schwedischen oder russischen Fremdherrschaft auch gar keine Gelegenheit, Eliten zu bilden.

Finnisches Design spiegelt all das wider. Dieses Land hat 5,5 Millionen Einwohner, und grob geschätzt 5,4 Millionen davon haben eine Aalto-Vase und Bettbezüge von Marimekko im Haus. Design ist hier kein exklusives Geheimwissen der Bildungsbürger, sondern Teil des Alltags. Sich als etwas Besseres zu geben, würde hier als albern empfunden. Geschmackspäpste dürfen bitte woanders residieren.

You were awarded the prestigious Schelling prize for theory in 2018, but describe yourself as an architect, and have designed buildings for Ai WeiWei/Herzog de Meuron’s “village” in Mongolia and have also staged theatre plays. Is theory and practice basically the same field of work for you?

For me, it’s the same. The theory I have been working on is changing habits of mind about design to confront intractable contemporary political and environmental problems. So everything is related to design. That is not always the case in architectural theory. Theorists are often keepers of knowledge, keepers of networks of thoughts. And I’m responsible for that, too. But for me it’s crucial that speculation impacts design.

Is there also a historical dimension to your research, or are you focusing on diagnostics of the present?

I have investigated historical parallels, and history is crucial. But I also decided to develop a methodology for looking at contemporary architectural evidence of architecture. There is no comfortable archive to visit. You are often grazing over global news wires, or eavesdropping on the promotional materials that global powers present. The world makes space by the 1,000s of acres a day—in a firehose blast. I wanted to ask the question: If it is space, and if it is making some of the most radical changes to the globalizing world, there is a chance we designers know something about it—maybe even more about this than McKinsey consultant or Deloitte consultant who is given authority to make global decisions. So I have been asking how we can put between our hands the space that is considered to be out of our hands.

Speaking of this evidence: Some of the thoughts you elaborate come from watching promotional videos about urban developments in Arabia and East Asia – so called special economic zones. You describe them as Free Zones. Could you elaborate on that? What information did you gather from these films?

Every country is trying to attract foreign investment, and these promotional videos are all the same. There is always a drop down through clouds from the atmosphere to identify what is supposed to be the new centre of the Earth. Cartoon skylines, sun flares, identical villas and golf courses, thundering music in the background. That is part of what has become a cultural habit for building and promoting this urban epidemic of free zones.

Von Quito bis Sydney, von Wien bis New York: Seit kurzem ist der Bogen in der Architektur zurück. Plötzlich, unerwartet und weltweit

Das Kulturzentrum Mattersburg, eine Ikone des Brutalismus, ist Geschichte. Warum tut sich das Bundesland mit der Baukultur so schwer?

Alle Hilferufe und Appelle haben nichts geholfen: Letzte Woche begannen die Bohrer, sich in den dicken Stahlbeton des Kulturzentrums (KUZ) Matter1burg zu fräsen. Bis auf ein kleines Stück Fassade wird der im Mai 1976 eröffnete Bau des Architekten Herwig Udo Graf Geschichte sein, und mit ihm ein Zeugnis der burgenländischen Kultur- und Bildungsoffensive der Nachkriegszeit.

Warum werden Städte von New York bis Berlin unleistbar teuer? Der Film "Push" zeigt, wie eine UN-Botschafterin die Hintergründe aufdeckt

Toronto. Kleine Wohnung, kleine Küche. Das Fenster schließt nicht, das Wasser leckt. Reparaturen: Fehlanzeige. Die neuen Besitzer des Hauses sind anonym, niemand hat sie gesehen. "Könnte Frosty, der Schneemann sein", sagt der Mieter mit traurigem Sarkasmus. Doch sie haben Spuren hinterlassen: ein halbes Dutzend Überwachungskameras – und eine drastische Mieterhöhung.

Berlin. Der bullige Kiez-Bäcker im Dialog mit dem jungen Baustadtrat Florian Schmidt. Die Miete für den Laden ist drastisch erhöht worden. Der Stadtrat versucht, Hoffnung zu wecken. Der Bäcker sieht keine Chance. Aber er will trotzdem kämpfen.

Seoul. Ein Mann berichtet, wie sie kamen, ihn verprügelten und seine Frau traten, um sie aus ihrem Haus im Stadtzentrum zu vertreiben. London. Die Brandruine des Grenfell Tower. Viele Überlebende sind fast zwei Jahre später immer noch ohne dauerhafte Bleibe. Wenn sie eine bekommen, wird sie vermutlich nicht mehr hier sein. Das multikulturelle Viertel, in dem man sich vom Sehen kannte, ist heute Premium-Lage. "Sie haben gesagt, wer sich London nicht leisten kann, soll halt woanders hinziehen", schnaubt der Londoner, der sich gerade über seine Motorhaube beugt. "Die spinnen wohl!" Es ist in allen Städten dasselbe Phänomen: Der sicher geglaubte Lebensraum wird den Menschen unter den Füßen weggezogen. 

Eine kleine Frau mit wachen Augen hört diesen Menschen zu, macht sich Notizen, fragt nach. Ihr Name ist Leilani Farha. Die Kanadierin ist UN-Sonderbotschafterin für angemessenes Wohnen. Push heißt der Dokumentarfilm des schwedischen Regisseurs Fredrik Gertten, der sie dabei begleitete. Farha versucht zu verstehen, was hier passiert, warum es überall gleichzeitig passiert und was dahintersteckt. Also fragt sie Experten wie den Nobelpreisträger Joseph Stiglitz oder die Soziologieprofessorin Saskia Sassen. "Dass die Mieten steigen, ist ein Mechanismus, den jeder versteht", sagt Sassen. "Aber dann kommt jemand anderer ins Spiel: Ein Monster, das niemand sieht, dessen Sprache niemand versteht. Also fragt man sich: Wer ist dieses Monster?"

Das soeben eröffnete Tottenham Stadium in London soll das beste der Welt sein. Sagen jedenfalls dessen Architekten

Für die Tottenham Hotspurs wurde es leider auch in dieser Saison nichts mit der Meisterschaft in der Premier League. Daran änderte auch der 2:0-Sieg am 3. April gegen Crystal Palace nichts. Trotzdem war das Spiel für den 1882 gegründeten Nordlondoner Traditionsklub ein Meilenstein: Es war das erste im neuen Tottenham Stadium. Der Vorgänger, die berühmte White Hart Lane aus dem Jahr 1899, war immer wieder adaptiert worden, bis Präsident Daniel Levy beschloss, ihn komplett zu ersetzen – nicht mit einem Neubau am Stadtrand, sondern am selben Ort, mit Platz für exakt 62.062 Zuschauer.

Zwar werden Stadien immer wieder neu gebaut, erst recht in England, wo Oligarchen und Milliardäre besonders viele Oligarchenmilliarden in ihre Vereine pumpen. Da wird gerne mit Superlativen um sich geworfen. Dennoch kommt es nicht jeden Tag vor, dass ein Architekt behauptet, dieses sei das beste Stadion der Welt. Noch dazu, wenn Christopher Lee, der diese Aussage zur Eröffnung tätigte, Partner beim Büro Populous ist, das weltweit (Stand heute) 1325 Stadien in 34 Ländern geplant hat, darunter das Olympiastadion 2012 in London.

Was aber macht ausgerechnet das Spurs-Stadion zur neuen Benchmark? Diese und andere Fragen beantwortete Populous-Architekt Tom Jones, federführend beim Tottenham-Stadion, vor kurzem in Wien auf einer Fachtagung der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS) und des Österreichischen Instituts für Sportstättenbau (ÖISS). "Unser Ziel war es, das Stadionerlebnis neu zu definieren," erklärt Tom Jones im STANDARD-Gespräch. Ein Balanceakt dabei: sowohl eingefleischte Fans als auch zahlungskräftige, aber wenig am Mitfiebern interessierte VIPs zufriedenzustellen – eine Kundschaft, für die man bei Manchester United den wenig schmeichelhaften Begriff der "Prawn Sandwich Brigade" erfand.