Eine Ausstellung widmet sich dem Werk der italienischen Gruppe Superstudio, das gegenüber zeitgenössischen Kunstschaffenden immer noch frisch wirkt
So selbstbewusst klang die Ausschreibung für die Ausstellung Trigon 69 im Herbst 1969 in der Neuen Galerie in Graz. Ihr Vorläufer, die Trigon 67, war so etwas wie ein kulturelles Erdbeben in der steirischen Hauptstadt gewesen, die Vibrationen jener Zeit des Aufbruchs sind bis heute im Steirischen Herbst zu spüren.
Zu lesen sind diese Worte 50 Jahre später, pünktlich zum Jubiläum und zur Eröffnung des diesjährigen Steirischen Herbstes, im Haus der Architektur (HDA), das sich einer besonderen austro-italienischen Achse widmet: dem Werk der italienischen Architektengruppe Superstudio, die an der Trigon 69 teilnahm.
1966 in Florenz von Adolfo Natalini and Cristiano Toraldo di Francia gegründet, wuchs die Gruppe kontinuierlich an, ohne jemals fest umrissen zu sein. Sie baute nicht, sie schuf Bilder, die bis heute in der Architekturwelt enorm einflussreich sind. Ihr Collagen des "continuous monument", eines gerasterten Endlosbauwerks, das sich weltumspannend durch Klippen, Städte und mitten durch New York pflügt, sind heute im Besitz des MoMA und des MAXXI in Rom und beeinflussten Architekten wie Rem Koolhaas und Zaha Hadid.
Schon 1980 löste sich die Gruppe wieder auf. Ihre vielpublizierten Bilder hatten sich da schon ins globale Bewusstsein gefräst und stehen dort noch heute wie erratische Blöcke. Wird Superstudio oft in einem Atemzug mit Zeitgenossen wie den britischen Pop-Art-Spaßkanonen Archigram und den provokativen Wienern wie Haus-Rucker Co und Zünd-Up genannt, lässt es sich bis heute nicht einordnen.
Nicht zuletzt, weil man nie genau wusste, ob die Bilder der Gruppe, die schon damals den Fortschrittsglauben der Moderne ins Kippen brachten, ein Wunschbild, ein Schreckensbild oder beides sein sollten. Anders als Archigram, deren Zerschellen an der Realität man wenige Meter neben dem HDA am Kunsthaus Graz beobachten kann, oder Coop Himmelb(l)au haben Superstudio nie versucht, ihre räumlichen Ideen baulich umzusetzen. Auch dies ist ein Faktor ihrer Überlebensfähigkeit.
Was all das mit Graz zu tun hat? Die Hauptschaffensphase von Superstudio fällt genau mit seiner Teilnahme an der Trigon 69 und der Trigon 71 zusammen. Für Erstere reichten sie ihre Schwarz-Weiß-Postkarte ein, in der das Continuous Monument mitten durch den Schlossberg rauscht. Die mittelalterlich-irreguläre Grazer Altstadt bot nicht nur den perfekten grafischen Kontrast zum radikal orthogonalen Raster, sondern war auch eine Referenz der Italiener auf ihre Heimatstadt Florenz.
Die von Ludwig Engel und BB Mak kuratierte Ausstellung fokussiert im Gegensatz zu bisherigen Superstudio-Retrospektiven nicht auf ein Best-of, sondern auf die Verbindung zu Graz. "Es war uns wichtig, keine Exponate zu importieren, sondern nur das zu verwenden, was wir hier in Graz finden", so Engel. "Das war natürlich ein Risiko, aber das Ergebnis hat die Erwartungen übertroffen." Im Rahmen einer Kooperation mit der EU-weiten Future Architecture Platform wurden sieben Künstler und Architekten ausgewählt, die entweder direkt auf das Werk von Superstudio reagieren oder deren Arbeiten Parallelen zu ihm aufweisen.
Engel und Mak hatten sich selbst schon seit 2012 mit Superstudio beschäftigt und Adolfo Natalini in Florenz besucht. Natalini schickte auch eine Grußbotschaft zur Eröffnung per Video, Cristiano Toraldo di Francia starb im Juli dieses Jahres, ihm ist die Ausstellung gewidmet. "Adolfo Natalini hat uns seine Skizzen für Graz gezeigt, und uns wurde klar, dass die gesamte Genese des Continuous Monument eng mit Graz verknüpft ist," erzählt BB Mak. Skizzen, Bilder, Collagen: Superstudio blieb fast ausschließlich im Zweidimensionalen und nutzte schon früh die Möglichkeiten medialer Verbreitung für seine Zwecke. Instagram avant la lettre sozusagen, auch das Continuous Monument kann man als Vorahnung des Internets lesen.
"Die italienische Architekturzeitschrift Casabella war ein wichtiges Instrument der Strategie von Superstudio", erklärt Ludwig Engel. Nur eine einzige dreidimensionale Manifestation des Endlosmonuments, sozusagen das Grundmodul der Idee, wurde jemals gebaut, und zwar nirgendwo anders als in Graz. Das "Grazer Zimmer" auf der Trigon 69 war ein weißer Quader, bedruckt mit Rechteckraster, positioniert auf einem grünen Boden aus Sisal.
Grün ist auch die Ausstellung am HDA, nicht nur als Hommage an jenes Zimmer, sondern als Referenz auf den "green screen", den Farbhintergrund, der in Film und Bild spätere digitale Manipulationen ermöglicht. Digital sind auch die Werke der jungen Künstler, die mitten im Raum als Bildschirme wie um ein imaginäres Lagerfeuer positioniert sind und mit analogen Zeichnungen an der Wand kontrastieren.
"Trigon 69 hat damals mit dem Motto Architektur und Freiheit die verkrustete Nachkriegssteiermark aufgebrochen", so HDA-Geschäftsführer Markus Bogensberger. "Heute dagegen herrscht wieder eine repressive Stimmung. Deswegen haben wir die junge Generation zum Kommentar aufgefordert." Es ist die letzte Ausstellung unter seiner Ägide, ab Oktober folgt ihm Beate Engelhorn nach. Ein würdevoller Abschluss und eine Erinnerung an eine Zeit der steirisch-toskanischen Zukunftsvisionen.