Optimistische Dinosaurier

Das Ende des Architektenberufs? Moment! Noch ist es zu früh für Resignation. Denn es gibt viel zu tun.

Wer hat’s gesagt? “Architektur ist ein Beruf, der enorm viel Zeit benötigt. Architektur steht mit einem Bein in einer Welt, die 3000 Jahre alt ist, und mit dem anderen im 21.Jahrhundert. Was wir der Gegenwart anbieten, ist die Erinnerung.“ Wer hier so entspannt in großen Zeiträumen argumentiert, ist erstaunlicherweise der sonst so nervös am Puls der Zeit herumtastende Rem Koolhaas. Wenn so jemand also seinen Kollegen die Rolle der weisen Methusalems zuschreibt, ist das entweder ein beruhigendes Signal für deren Überleben, oder Zeichen einer anschwellenden Irrelevanz. Ist Optimismus oder Pessimismus angesagt? Sind ArchitektInnen Dinosaurier?

Das Ende des Architektenberufes wird immer wieder befürchtet und annonciert. Das zeugt einerseits von einem Sensorium für tatsächliche Gefahren, rutscht andererseits jedoch immer häufiger in resigniert mümmelnden Defätismus ab. Das ist nicht gut. Denn wie kaum eine andere Berufsgruppe müssen Architekten per se Optimisten sein, weil sie an die Verbesserbarkeit der Welt glauben. Täten sie das nicht, würden sie sich selbst überflüssig machen, und das wäre schade.

Gehen die ArchitektInnen den Weg der Kutscher, Küfer, Milchmädchen und Gaslaternen-Anzünder? Oder waren sie nicht immer schon wandlungsfähige Akteure in einer Welt permanenten Wandels? Schauen wir nur die letzten Generationen an: schalbewehrte Künstlerarchitekten, provokante Freigeister, humanistische Technokraten. Soziologen, Stadt-Denker, Schrumpf- und Wachstums-Strategen, Großwildjäger mit Großkunden, junge Teams mit lustigen Namen, Einzelkämpfer, offene Netzwerke, Partnerschaften und Fusionen. Selbst die heute um die 30jährigen haben ein anderes Berufsbild als die 50jährigen. Hier zählen noch mehr das Initiieren von Prozesse und die Kooperation in flexiblen Netzwerken. Handlungsfähigkeit bedingt Wandlungsfähigkeit, und die bedeutet nicht immer Opportunismus.

Was nicht heißt, dass der Beruf keinen Bedrohungen ausgesetzt ist. „Architektur wird zur Ware“ lautet hier eine häufige Antwort. In der Tat: Architektur droht sich im Zeitalter des Neoliberalismus und dessen Entmaterialisierung von Werten wenn nicht in Luft aufzulösen, so doch auf reine Oberfläche einzudampfen, auf einen "Mehrwert", der nicht mehr ist als die künstlerische Sahnehaube, die die Corporate Identity des Auftraggebers unterfüttert.

Ebenso dringende Warnschilder leuchten auf, wenn Kultur- und Bildungsbudgets gestrichen werden, wenn es dem sozialen Wohnbau an den Kragen geht, und wenn durch die Globalisierung der Investoren, die sich das Betongold lukrativer Standorte wie einen Staffelstab weiterreichen, die Architektur zum Asset verkommt. Welchen Mehrwert hat ein Entwurf noch für ein Gebäude, das schon mehrmals den Besitzer gewechselt hat, bevor es überhaupt fertig ist?

Hier ist von Seiten der Architektur mehr denn je nicht die defätistische Opferhaltung, sondern die gesellschaftliche Positionierung gefragt. Ein Beispiel: das American Institute of Architects (AIA) bezeichnete vor kurzem die Steuerreform der Republikaner in einem Statement als „furchtbaren Fehler“. Ein Tropfen auf heiße Steine, aber dennoch ein wichtiger politischer Akt.

Es gibt viel zu tun, wenn man die Handlungsfähigkeit einfordert und nicht wartet, bis sie gewährt wird. Nicht warten, bis der Bauherr anruft, nicht warten, bis sich endlich ein Gesetz ändert, nicht warten auf die Sprechstunde bei der Baupolizei. Die Welt ist veränderbar, nichts ist gottgegeben. Neue Handlungsfelder tun sich auf: Der Umgang mit Ressourcen, Umbau statt Neubau, eine Rückbesinnung auf den Akt des Bauens und eine Vorausschau auf neue Materialien, die Verbindung von High-Tech und Low-Tech. Die Zukunft der Arbeit wird mit dramatischen Änderungen verbunden sein, die uns alle betreffen, die ArchitektInnen aber vielleicht schneller antizipieren können.

Also: Keine Angst vor dem plötzlichen Meteoritentod! Das Zeitalter der Dinosaurier dauerte 186 Millionen Jahre. Den ArchitektInnen stehen also noch 185.997.000 handlungsfähige Jahre ins Haus.

 

Erschienen in: 
Der Plan (Zeitschrift der Kammer der Architekten und Zivilingenieure), Heft 43, Februar 2018.