Pur, klar und respektvoll gegenüber der atemberaubenden Bergkulisse: Die Meisterwerke zeitgenössischer Kellerei-Architektur in Südtirol verkünden das Ende des Jodelstils. Traditionsbewusst sind sie dennoch.
Der Beruf des Kellermeisters muss wohl einer der beneidenswertesten der Welt sein: Ein Alchimist des Genusses, der aus Wurzel, Rebe, Boden und Klima mit feinfühligem Forscherwissen hier optimierend, da probierend, ein perfektes flüssiges Resultat destilliert. Ganz ähnlich der Architekt. Auch sein Werk ist – im Idealfall – ein harmonisches Ergebnis der Landschaft und des Klimas, an dem es entsteht. Beide nützen die Gesetze von Mechanik, Chemie, Physik und Biologie, um die Haltbarkeit und Reife ihres Werkes zu vervollkommnen.
Folglich müssen Kellermeister und Weingutbesitzer die idealen Kunden des Architekten sein. Zumal die Traube auf ihrem Weg zum Wein eine ganze Abfolge von Räumen durchläuft, die ihre eigenen Anforderungen haben an Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Kein Architekt, der bei einer solchen Aufgabe nicht genüsslich mit der Zunge schnalzt.
Tatsächlich ist die erstaunliche Entwicklung, die der Weinbau in Südtirol in den letzten Jahrzehnten zurückgelegt hat, Hand in Hand mit einem Aufblühen der Baukunst gegangen. Wo die neue Winzergeneration von Quantität zu Qualität umgeschwenkt ist und heute die richtige Rebe dem richtigen Boden zuordnet, statt wie früher fast schon wahllos auszubauen, hat sich ein weiterer Wandel vollzogen: In einer Region, in der früher Hotelburgen hochgezogen wurden, pflegen Architekten nun einen respektvollen Umgang mit der Landschaft und greifen vor Ort auf Materialien aus lokaler Produktion zurück. So ist Südtirol zu einem Magneten für Wein- wie Architekturbegeisterte gleichermaßen geworden.