Wer baut die smarte Stadt?

Städte sind nicht nur materielle, sondern auch intellektuelle Ressourcen. Doch welche Idee von Stadt hat die Smart City Wien eigentlich? Und wie sieht sie aus?

Eine einstündige Führung durch das MediaLab am MIT in Cambridge, Massachusetts, und man ist restlos bedient und hängt ehrfurchtsvoll erschöpft in der Ecke. “Aha! Hier wird also alles erfunden, was es auf der Welt gibt”, denkt man, überwältigt von der Konzentration von Forschung, Innovation, Ideen, und natürlich auch sehr, sehr viel Geld auf erstaunlich winzigem Raum. Roboter hier, intelligente Textilien da, und ganz hinten die Abteilung Senseable Cities, die der vernetzten Stadt der Zukunft auf der Spur ist. Kein Wunder, dass das MIT im Times Higher Education World Reputation Ranking 2012 auf Platz 2 hinter Harvard gereiht wird. Die Wiener Hochschulen sind, wie hierzulande schlagzeilenträchtig bemerkt wurde, aus den TOP 100 herausgefallen.

Nun ist so ein Ranking schnell mal zusammengestoppelt, könnte man sagen, und die Bildungssysteme kaum vergleichbar. Doch die, an die sich diese Studien richtet, nämlich die globale Wirtschaft, schert sich um diese Feinheiten nicht und registriert die Positionen aufmerksam. Noch mehr Rankings gefällig? Kein Problem! Gleich zwei von ihnen attestierten der Stadt Wien außergewöhnliche Smartheit: In der einen unter Studenten, in der wohlgemerkt die Stadt als Umfeld und nicht die Hochschule bewertet wurde, kam Wien auf Platz 5, in der anderen, ebenfalls “Smart City” betitelt, eine Art aus Einzelrankings gefiltertes Super-Ranking, sogar auf den ersten Rang. Auch das kann man als Schaumschlägerei abtun, doch unbestreitbar ist, dass die Stadt als intellektuelle Ressource immer wichtiger wird.

Auch Wien hat das längst registriert, und die Think Tanks sind am Start: Die “Smart City Wien”, ein gemeinsames Projekt unter der Leitung der MA18 soll die Stadt nachhaltiger, intelligenter, vor allem energieeffizienter machen. Smart Energy Vision 2050, Roadmap 2020, Triple Smart Ansatz lauten die Schlagworte. Prozesshafte Beteiligung aller in Smart City Foren? Gibt es auch, klingt gut, und man wird sehen, wer sich hier beteiligt. Dass die Stadtplanung gemeinsam mit allen Interessenten alles klimaneutraler, optimaler, smarter machen will - nichts dagegen zu sagen. Wenn es der Stadt neue Märkte erschließt: auch gut.

Nur: Wie sieht diese Stadt der Zukunft aus? Wer zeichnet sie auf, wer gibt ihr Masse, Raum und Gesicht? Bleibt die urbane Hardware so wie sie ist und wird an Dach, Fassade, Kabeln und Rohren technisch aufgepäppelt? Wie steht es um den Raum dazwischen? Den hier so rar gesäten, öffentlichen? Kurz gesagt: Wer baut die Stadt? Der Magistrat, in dem sich viele, so viele, mit Stadtplanung auseinandersetzen, wo diese aber schon im Ansatz zerfällt in die beiden Ressorts Wohnbau und Verkehr mit ihrer so ungleich verteilten Machtfülle? Überspitzt gesagt: Das Wohnen und das Hin- und Wegfahren vom Wohnen - ist das schon Städtebau?

Warum sehen die Vorplätze von Westbahnhof, Hauptbahnhof und Praterstern so aus, wie sie aussehen, Plätze, auf denen ursprünglich gute Ideen im Räderwerk der Partikularinteressen zu parodistischen Schwundstufen der Stadtraumgestaltung verkommen sind? Weil städtischer Freiraum hier vor allem Verkehrsraum ist, Infrastruktur, die reibungslos zu funktionieren hat. Das Gegenstück dazu, ein urbaner sozialer Raum mit Aufenthaltsqulität, findet sich bestenfalls im Museumsquartier, doch das ist letztlich ein zwar zentrales, aber vor der Stadt geschütztes semiprivates Reservat.

Während die Architektur gerne futuristischer daherkommt als sie ist, wird in der Stadt der Zukunft viel Innovation investiert, aber sie hat keine Gestalt. Welcher Wiener weiß heute, wie die Seestadt Aspern aussehen wird und will? Ein Masterplan, der in seinem unscharfen Bild eher einem Kompromiss gleichkommt und genügend Raum übrig lässt, um sich die Details im stillen Kammerl auszuhandeln, reicht dazu nicht aus.

Wo also sind die Städtebauer? Wo sind die Generalisten, die all die smarten Dinge zu fusionieren wissen, ihnen Form geben, so wie es die Architekten eine Maßstabsebene darunter tun? Wo ist der Markt von Ideen und Entwürfen in der Öffentlichkeit, stadtplanerischen Ideen, die nicht von der allumsorgenden gütigen Mutter, der Stadtverwaltung, angefertigt werden? Ideen, die auch mal ins Kraut schießen dürfen? In Österreich gibt es sie nicht, denn man lernt das Städtebauen hier nicht, ja, man kennt den Beruf so gut wie nicht.

Städtebau hat seine eigenen Regeln, seinen eigenen Maßstab, ist eine Disziplin, die man lernen muss und studieren kann. Seine Aufgaben können nicht mit architektonischen oder rein infrastrukturellen Mitteln gelöst werden. Reichen Vernetzung und Green City Awards aus, um die Stadt als Ressource lebendig zu halten? Werden Hirnschmalz, Manifeste, Mut in die Gestalt der Stadt investiert? Oder ist die Zukunft Wiens ein transdanubischer Teppich aus guten Einzelbauwerken, von denen jedes für sich Stadt spielt, die sich aber nicht zu einer solchen zusammenfügen?

(Kolumne "Planpause", erschienen in: "Der Plan, Zeitschrift der Kammer der Architekt(inn)en und Ingenieurkonsulent(inn)en für Wien, Niederösterreich und Burgenland", 04/2012)