urbanismus

Der Parkplatz am Naschmarkt ist eine prädestinierte Bühne für die Stadt. Diesen Sommer macht das junge Team Wien den Platz zum Park und denkt die Zukunft der Arbeit neu.

Parkplätze sind keine schönen Orte, darüber dürfte Einigkeit bestehen. Es sind ja nicht einmal Plätze. Die Tatsache, dass man wertvollen öffentlichen Raum jahrzehntelang keinem anderen Zweck widmet, als dass Privatleute dort ihre Privatgegenstände abstellen, werden zukünftige Generationen vermutlich kopfschüttelnd als seltsamen Irrweg der Zivilsationsgeschichte beurteilen. Niemand stellt seine Wandschränke, Sofas und Waschmaschinen einfach auf die Straße. Autos schon. Warum sollte das normal sein? Eben.

So weit, so unstrittig. Andererseits: Steht man am Parkplatz hinter dem Naschmarkt zwischen den Wienzeilen, wenn er am Wochenende nur spärlich gefüllt ist, wenn vielleicht sogar die Sonne hinter der U4 untergeht, denkt man nicht primär an Zivilisationskritik, sondern ans Aufatmen. Im dicht bebauten Wien, in dem jede Verkehrsinsel von Dutzenden Magistratsabteilungen beplant, reguliert, möbliert und gepflegt wird, vermittelt ein Ort, der einfach nur leer ist, ein seltenes Gefühl der Freiheit.

Innsbrucker Forscher und Architekten entwickeln Pläne für Energiespeicher als Basis für schwimmende Städte und bauen energieautarke Fischerhäuser

Von archaischen Atlantis-Legenden über schwimmende Bond-Bösewicht-Kommandozentralen bis zu Kevin Costners dystopischem Film Waterworld: Das Leben auf dem Meer hat die Menschheit schon immer fasziniert. Visionen, die zwischen Zukunftsoptimismus und Katastrophenszenarien oszillieren und manchmal beides miteinander verbinden. Angesichts der Prognosen hinsichtlich des Ansteigens des Meeresspiegels, die küstennahe Regionen und Städte zu prekären Gefahrenzonen machen, gewinnen diese Pläne heute an Dringlichkeit.

Auch Architekten haben sich immer wieder dieser maritimen Faszination angenommen. 1960 präsentierte Kenzo Tange seinen heute megaloman anmutenden Plan zur Überbauung der gesamten Bucht von Tokio mit einer Stadt auf dem Wasser. Es blieb eine Vision. In den vergangenen Jahren entspann sich ein wahrer Wettbewerb um die aufsehenerregendsten Bilder für schwimmende Siedlungsformen der Zukunft. Bisher gingen diese Pläne jedoch selten über den glattgebügelten Investorenfuturismus schicker Computervisualisierungen hinaus. Über die Frage, wie schwimmende Zukunftsstädte technisch genau funktionieren sollten, schwieg man sich meistens aus.

Ein interdisziplinäres Team an der Universität Innsbruck hat sich jetzt darangemacht, solche Pläne konkreter werden zu lassen. Zwei Projekte, die zurzeit auf der Expo im kasachischen Astana ausgestellt werden, kombinieren die Aspekte Energiegewinnung, Energiespeicher und Architektur. Die Frage, wie man aus Wind und Sonne gewonnene Energie speichert, um sie zum richtigen Zeitpunkt wieder ins Netz einspeisen zu können, beschäftigt die Wissenschaft seit langem. Markus Aufleger, Robert Klar und Bernd Steidl vom Arbeitsbereich für Wasserbau der Fakultät für Technische Wissenschaften in Innsbruck haben dazu ihr eigenes Patent entwickelt: Das Projekt mit dem Namen Buoyant Energy setzt auf im Meer schwimmende Hohlkörper. Die Energie dient hierbei dazu, die Hohlräume leerzupumpen, wodurch der Körper auftreibt. Wird die Energie wieder benötigt, lässt man den Körper wieder mit Wasser volllaufen, wodurch eine Turbine angetrieben wird.

Wien ist nicht die einzige Großstadt, in der über Hochhäuser gestritten wird. Ein internationaler Vergleich zeigt die Parallelen und Unterschiede in der Diskussions- und Planungskultur. Schmerzhaft vermisst wird dabei: Eine Stadtverwaltung, die von Anfang an klar sagt, was sie will und was nicht und damit verbunden eine umfassende gesellschaftliche Debatte über das Stadtbild von morgen.

 

Städte wachsen, Städte verändern sich, und der Wert ihres Grund und Bodens wächst geradezu exponentiell mit in die Höhe. Die Frage, ob die Architektur proportional mit in die Höhe wachsen soll, wird nicht nur in Wien heftig debattiert. In welchem Ausmaß sind Hochhäuser verträglich, und welchen viel beschworenen „Mehrwert“ sollen sie liefern? Sollen sie auf kontrollierte Cluster beschränkt werden? Innerstädtisch oder peripher?

Wer plant, was sind die Regeln und was sind die Freiheiten? Sollen Ausschlusszonen und Eignungszonen festgelegt werden? Ist es zielführend, sich nach Art der „Schaun-mer-mal“-Stadtplanung jedes Projekt von neuem „in Ruhe anzuschauen“, wenn dies die Ruhe nichtöffentlicher Räume wie Hinterzimmer, Telefongespräche und Abendveranstaltungen ist? Wie offen, wie präzise soll ein Hochhauskonzept sein? Fördern geome­trisch exakte Beschränkungen von Volumina, wie in den seit einem Jahrhundert etablierten New Yorker „air rights“ die Qualität? Oder soll die vielbeschworene künstlerische Freiheit nicht eingeschränkt werden? Brauchen wir noch mehr Wolkenbügel?

Ein Team der Kunstuniversität Linz entdeckte an der Wiener Peripherie einige Gemeinsamkeiten mit Nevada und entwickelte Ideen für die Grauzone zwischen Stadt und Land

Woran merkt man, dass man das Wiener Stadtgebiet verlassen hat? An der plötzlichen Abwesenheit von MA48-Werbesujets? An der sprunghaft steigenden Anwesenheit von Shoppingcentern, Einfamilienhäusern, Traktoren? Die Antwort ist: Man merkt es immer weniger. Der auf ewig festzementierten Grenze in den administrativen Köpfen zum Trotz ist Wien längst ins Niederösterreichische ausgeufert, ehemalige Dörfer sind zu einer Art Peripherie-Porridge zusammengewachsen, und aus der Luft besehen reicht Wien mindestens von Mödling-Süd bis nach Wolkersdorf-Nord und Stockerau-West.

Orte, die bis vor kurzem Inseln kirchenglockiger Beschaulichkeit waren, sind in kürzester Zeit zu Städten geworden. Nicht selten, ohne es selbst zu merken oder sich einzugestehen. Aber ist ein Dorf mit eigenem Speckgürtel noch ein Dorf? Fragen wie diese verhallen in diesem Niemandsland meistens im Lärm der von Pendlern verstopften Asphaltwege.

Das Ausweichquartier des Parlaments am Heldenplatz war lange angekündigt. Kaum nimmt es Gestalt an, reden manche plötzlich von Verschandelung. Sind die temporären Holzbauten nun ein architektonisches Glanzstück? Ist der Heldenplatz der richtige Ort für sie? Und wie soll sich Demokratie heute in der Stadt überhaupt präsentieren?

Um 20 Uhr am Abend des 9.November 1989 wurde die 174.Sitzung des deutschen Bundestages unterbrochen, als die Nachricht von der Grenzöffnung aus Berlin eintraf. Die Abgeordneten aller Fraktionen erhoben sich spontan und stimmten gemeinsam die Nationalhymne an. Soweit, so bekannt. Nahezu vergessen ist jedoch, dass sich dieses historische Geschehnis in einem Provisorium abspielte. Von September 1986 bis Oktober 1992 tagte der Bundestag im ehemaligen Bonner Wasserwerk, während nebenan der von Architekt Günter Behnisch entworfene neue Plenarsaal entstand. Der Würde des Moments tat die temporäre Unterbringung an diesem 9.November keinen Abbruch.

Ironischerweise war es auch der Mauerfall, der den nach langwieriger Entscheidungsfindung errichteten, 256 Millionen Mark teuren Behnisch-Bau wenig später selbst zum Provisorium degradierte. Als dieser 1992 bezogen wurde, hatte das Parlament längst den Umzug nach Berlin beschlossen, Ende 1999 tagte es zum letzten Mal in Bonn. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Neubau nur ein paar Monate länger seine staatstragende Funktion innegehabt als das spartanisch hergerichtete Wasserwerk.

Dass das Parlament das vom Grundsatz der Transparenz, Offenheit und Hierarchievermeidung getragene, trotz seiner Masse fast verspielt wirkende, großzügig verglaste Gebäude gegen die düstere imperiale Hülle des ehemaligen Reichtstags eintauschte, ist eine heute ebenfalls fast vergessene Ironie. Die Frage, ob die bauliche Hülle einer demokratischen Institution auch demokratisch aussehen soll, und ob es so etwas wie demokratische Architektur überhaupt gibt, bleibt jedoch aktuell. Zur Zeit wird sie in Wien recht heftig diskutiert.

Der Wettbewerb für das Heumarkt-Areal war mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet. Heute herrscht Katerstimmung. War das Verfahren also doch keine gute Idee? Eine Chronologie der Ereignisse.

Die Geschichte der Architekturwettbewerbe ist eine Geschichte der Kompromisse. In Wien lässt sich das an einer Fülle von Paradebeispielen nachweisen. Da wäre zum einen das jahrelange Hickhack um die Überbauung des Bahnhofs Wien-Mitte. Streit ums Weltkulturerbe, Architektenwechsel, Bürgerproteste, Hochhausdebatte, und ein Ergebnis, von dem niemand begeistert war. Oder das Museumsquartier: Der große Erfolg des MQ-Hofes lässt leicht übersehen, dass das Ensemble architektonisch eine Mißgeburt ist. Nach Denkmalschutzdebatten und polemischen Kampagnen des Boulevards wurde am Entwurf so lange gedrückt und gezerrt, bis die beiden Museumskuben aus der Stadtsilhouette hinauserniedrigt waren. Seitdem quält sich das Mumok mit viel zu engen Räumen, die Kunsthalle dämmert unsichtbar hinter der Schnörkelfassade der Winterreithalle dahin und ist nur durch ein absurdes Labyrinth erreichbar.

Ist die Karlskirche in Gefahr? Wie viele Geschosse hat ein Hochhaus? Eine Aufstockung am Karlsplatz sorgt für reichlich Aufregung und wirft Fachbegriffe munter durcheinander.

"Betonklotz! Glasmonster! Turm!" Wenn solche schreienden Buzzwords kursieren, kann man sich sicher sein, dass schon wieder eine Architekturdebatte entbrannt ist. Was war passiert? Folgendes: Ein viergeschossiges Bürogebäude soll um zwei Geschosse aufgestockt werden. Für gewöhnlich nichts, was das Blut hochkochen lässt. Nur handelt es sich hier um einen prominenten Standort, denn das ehemalige Winterthur-Haus der Zürich-Versicherung steht direkt neben der Karlskirche. Der 1971 errichtete Bau soll nun, ebenso wie das benachbarte WienMuseum, in die Höhe wachsen.

Nun kann sich jeder Mensch, der zwei Augen und fünf Minuten Zeit hat, genau hinzuschauen, schnell davon überzeugen, dass es sich bei diesem geplanten Umbau weder um einen Betonklotz, noch um ein Glasmonster, noch um einen Turm handelt. Dies hinderte die Kronen-Zeitung jedoch nicht daran, zum Sturm gegen das Projekt aufzurufen und die von Georg Eltz ins Leben gerufene Initiative "Rettet die Karlskirche" zu unterstützen, die von einer eigenartigen Koalition aus Kirche, FPÖ und dem Sohn des Architekten getragen wird.

Die Posse um die nicht gebaute Zentrale der MA48 und ihren von der Jury verschmähten Mistkübel-Entwurf hat für Gesprächsstoff gesorgt. Ist es wirklich, wie Stadträtin Ulli Sima beteuert, ein "ärgerlicher Einzelfall", oder ist etwas faul in der Wiener Baukultur? Ein Überblick über den Stand der Debatten.

Beginnen wir mit einer etwas ungewöhnlichen und leider etwas unappetitlichen Frage: Was hat Hundekot mit Baukultur zu tun? Nichts, würde man meinen. Doch zumindest in Wien haben die beiden Begriffe eine gemeinsame Schnittmenge. Genau, es geht um die Magistratsabteilung 48. Diese macht zweifellos einen sehr guten Job. Sie macht auch sehr viel Werbung dafür, dass sie ihren Job macht. Kampagnen, Aktionen, Mistfeste, Inserate, Plakate und Stadträtinnenkonterfeis noch in den abgelegensten Gehölzen der Lobau. Eine besondere Vorliebe hegt die Werbeagentur der MA48 offenbar für die Hinterlassenschaften von Vierbeinern und affichiert gerne hundertfach vergrößerte Fotos von Hundekot oder aufgetürmten Hundekotsackerln auf Plakaten im öffentlichen Raum. Nun hat die Koprophilie gerade in Österreich in Kunst und Psychologie eine lange und interessante Geschichte, aber müssen wirklich für Steuergeld Fotos von Hundekot angefertigt werden? Und was kostet das eigentlich?

Das haben sich auch die Gemeinderäte der NEOS gefragt, die am 22.März 2016 eine Anfrage an Umweltstadträtin Ulli Sima bezüglich der Kosten der soeben gestarteten "Schmutzkübel-Kampagne" stellten, eine PR-Aktion, die die Bürger Wiens darauf hinweisen sollte, den Mist bitte in Mistkübel zu werfen. Gefragt wurde auch nach dem gesamten Werbebudget der MA48 im Jahr 2015. Die Antwort auf die erste Frage: 253.300 Euro. Die Antwort auf die zweite Frage blieb aus.

Urbane Bühnenbilder: Die Ausstellung "Anime Architektur" im Berliner Museum für Architekturzeichnung zeigt mit Originalbildern aus Animationsfilmen die Faszination japanischer Comic-Künstler für die Stadt als Setting für Utopien und Dystopien - oder beides zugleich.

Japan, im Jahre 2030: Eine Horde junger rebellischer Jugendlicher rast mit ihren Motorrädern auf unbeleuchteten und maroden Stadtautobahnen in die verbotene Zone des alten Tokio, wo seit einem Atomkrieg vor 38 Jahren nichts als ein pechschwarzer nuklearverseuchter Bombenkrater gähnt. So apokalyptisch beginnt Katsuhiro Otomos epochales Anime-Epos "Akira", das in sechs Bänden zwischen 1982 und 1990 erschien. Es gipfelt nicht weniger apokalyptisch in der physischen Verschmelzung des Antihelden mit der Stadt.

Akira läutete eine neue Ära des Animes ein, in dem Metropolen als Ort der Handlung eine tragende Rolle spielen. Eine Auswahl von Illustrationen für Anime-Filme jener Ära ist zur Zeit in der Tchoban Foundation, dem Museum für Architekturzeichnung in Berlin, zu sehen. Hier steht nun die Welt der Comics vollwertig neben Klassikern der Architekturzeichnung wie den endlosen Unterwelten in Giovanni Battista Piranesis Carceri oder den wild zersplitterten Architekturlandschaften von Lebbeus Woods.

Zurück an den Start: Der umstrittene Turmbau beim Eislaufverein wurde abgesagt. Es bleiben viele Fragezeichen.

Eine Vollbremsung auf spiegelglattem Eis resultiert in der Regel in einem Umfaller. Exakt dieses Manöver legte vorige Woche die Stadt Wien auf dem Areal des Wiener Eislaufvereins hin: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou verkündete, dass die umstrittene Planung von Developer Michael Tojners Wertinvest und Architekt Isay Weinfelds Hochhausentwurf vom Fachbeirat für Architektur und Stadtgestaltung abgelehnt worden sei, und erteilte der dafür notwendigen Änderung des Flächenwidmungsplans eine Absage. Was als Paarlauf zwischen Stadt und Investor begann, endet nun in einem abrupten Bauchfleck. Es sei, so Vassilakou, für alle Beteiligten eine „Denkpause“ angebracht. Dieser Abpfiff bedeutet jedoch in jedem Fall das Aus für den 73-Meter-Turm. Auf den Zuschauerrängen der Gegentribüne dürften jetzt nicht wenige Sektkorken knallen.