urbanismus

Das Symposium "Superstadt" spekulierte über die urbane Zukunft. Ob optimistisch oder düster: Der Futurismus ist wieder im Kommen - Architekt Liam Young über die Stadt von morgen

Die Zukunft schien in der Architektur ziemlich altmodisch geworden zu sein. Seit den fliegenden Träumen der 60er, als Pop-Art- Büros wie Superstudio aus Italien und Archigram aus London ihre Walking Cities wie riesige psychedelische Yellow Submarines durch die Welt von morgen staksen ließen, ist der Blick nach vorn immer grimmiger, humorloser und pessimistischer geworden.

Die Ausstellung "Hands-on Urbanism" im Architekturzentrum Wien zeigt die Geschichte der Landnahmen von unten und die wiederkehrende Aufblühen des Informellen als städtische Überlebenstechnik in Krisenzeiten.

Die große Halle des Wiener Architekturzentrums ähnelt zur Zeit mehr einem Gartencenter als einem Museum. Es grünt in allen Ecken, es wird eifrig gegossen, gepflanzt und getopft. Zwischen der üppigen Botanik bietet sich eine Vielzahl kleiner, auf Bauzäune montierter Tafeln zum Thema "Recht auf Grün", dem Untertitel der Ausstellung. Eine, die man sich erarbeiten muss. Großformatige Hochglanzfotos, auf denen sich das Auge ausruhen kann, sind hier nicht zu finden. Dafür eine Fülle an Informationen zu kaum bekannten Beispielen für Städtebau von unten, für die Aneignung urbanen Freiraums durch die Bürger. Die von Kuratorin Elke Krasny ausgewählten Beispiele führen von den Anfängen der Schrebergärten in Deutschland und Österreich Mitte des 19.Jahrhunderts über kooperatives Schrottsammeln in Porto Alegre bis zum Kampf um finanziell und landwirtschaftlich lukrativen Boden im heutigen Hongkong.

Sechs Monate vor der Eröffnung sind fast alle Olympia-Bauten in London fertig. Statt chinesischen Feuerwerks herrscht britischer Pragmatismus.

Als im August 2008 die Olympischen Spiele in Peking eröffnet wurden, staunte die Welt über das Vogelnest aus Stahl, das die Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron als einprägsame Ikone an den staubigen Rand der chinesischen Hauptstadt gesetzt hatten. Die Gastgeber waren stolz auf den prunkvollen Aufwand: 42.000 Tonnen Stahl für 14 Tage Weltöffentlichkeit. Was danach damit anzufangen war, interessierte vorerst niemanden. Einen Monat später rutschte die Welt in die Finanzkrise und sah verschwendungsfreudige Riesenevents von nun an mit anderen Augen.

Nächste Station: London, wo die Spiele in genau sechs Monaten am 27. Juli eröffnet werden. Die britische Hauptstadt hatte, wie in weiser Krisen-Vorausahnung, bereits 2005 ihre Bewerbung mit dem Aushängeschild der Sparsamkeit versehen. Schließlich war man ein gebranntes Kind, was die Erfahrung mit "White Elephants" angeht, überdimensionierten Prestigebauten, die als finanzielle Altlasten in der Stadt herumstehen. Das PR- und Finanz-Desaster des Millennium Dome war noch in guter Erinnerung.

Die USA entdecken die Innenstädte und öffentlichen Räume wieder. Ganz vorne dabei: New York, wo man heftigst über das Fahrradfahren diskutiert.

Bill Cunningham kann man guten Gewissens als Original bezeichnen. Seit über vier Jahrzehnten knipst der jungenhaft wirkende 82jährige, stets in einen blauen Arbeitskittel gekleidet, als Modefotograf für die New York Times auf Manhattans Straßen Passanten, deren vermeintliche Alltagsmode kurz darauf regelmäßig zum weltweiten Trend wird. Originaler noch: Er bewegt sich durch diese Straßen ausschließlich auf dem Fahrrad, eine Fortbewegungsart, die im Big Apple allenfalls als schrullig, vor allem jedoch als selbstmörderisch galt. Jedenfalls bis vor kurzem. Denn Bill Cunningham ist nicht mehr alleine.

Über 400 Kilometer Radwege hat die energische Verkehrsstadträtin Janette Sadik-Khan seit ihrem Amtsantritt 2007 durch die Stadt legen lassen, und keineswegs nur Freizeitstrecken in den Suburbs: Kreuz und quer durchs chaotische Manhattan wurden grüne Streifen auf den Asphalt gemalt, ein Bike-Sharing-System wird 2012 folgen. Seit 2000 hat sich die Anzahl der Radfahrer mehr als verdoppelt. Die Radoffensive ist Teil des ambitionierten PlaNYC-Programms von Bürgermeister Michael Bloomberg, mit dem unter anderem die CO2-Emissionen New Yorks bis 2013 um 30% gesenkt werden sollen.

Wenn Handelsbetriebe auf die grüne Wiese wandern und die Mitte sich leert, wird das für Kleinstädte bald zur Existenzfrage. Die erste österreichische Leerstandskonferenz suchte nach Strategien gegen die Verödung.

Der mit reichlich Pritzker-Preisträgern besetzte Novartis Campus in Basel nimmt allmählich Gestalt an. Ein Zwischenbericht

Lautlos ziehen die prachtvoll gefärbten Koi ihre Kreise im Wasserbecken auf der Piazza. Unter dem schattigen Blätterdach lehnen Menschen mit klugen, konzentrierten Gesichtern entspannt auf Sesseln, Laptops auf den Knien, international telekonferierend. Sorgfältig behelmte Fahrradfahrer mit Rucksäcken rollen vorbei. Gegenüber stoppt ein Kleinbus sanft an der Haltestelle vor dem Supermarkt. Kleingruppen streben den Tischen unter den Arkaden entgegen: zum Lunch in die Osteria Dodici oder heute mal in die Sushibar?

Eine freundliche und perfekte Welt. So perfekt, dass ein Neuankömmling unweigerlich in die Sonne blinzelt, um zu prüfen, ob diese nicht doch ein Scheinwerfer und das alles eine Art urbaner Truman Show ist. Doch die Szenerie ist voll und ganz real: Der Neuankömmling befindet sich auf dem Novartis Campus in Basel, exakt an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich.