Ein rastloser Reisender, ein Kommunikator mit Talent zum Überreden. Der Architekt Karl Schwanzer war ein intuitiver Ingenieur, der Technologie mit Lust an der Formgebung verband. Am 21. Mai wäre er 100 Jahre alt geworden
Bilder aus dem Wien der Nachkriegszeit: graubraune Fassaden und Blumenrabatten, steinerne Melancholie und Biederkeit. Dazwischen: Bilder von Schriftzügen aus Tokio, das Atomium in Brüssel, die Copacabana. Schnappschüsse von anderswo. Heute nichts Besonderes, damals müssen sie wie Postkarten aus einer fernen, aufregenderen Welt erschienen sein. Protagonist in beiden Bilderwelten: ein gedrungener Mann mittleren Alters, durchdringender Blick, mal im Anzug, mal lässig, immer mit Stil.
Erschienen sind diese Fotos jetzt dort, wo Fotos heute erscheinen: auf Instagram. Hier ist seit kurzem das private Archiv des Architekten Karl Schwanzer zu sehen, und es ist eine Fundgrube für Zeit- und Architekturgeschichte, ein Panoptikum der 1950er- bis 1970er-Jahre. Schwanzer, dessen Geburtstag sich am 21. Mai zum 100. Mal jährt, war schon früh ein Reisender. Mit 16 radelte er durch ganz Österreich, zur Matura nach Venedig. Ein Jahr nach dem Krieg saß er schon im eigenen Auto auf dem Weg nach Paris. Freischaffender Architekt. Der Beginn einer steilen Karriere, eines Arbeitslebens, das keine Pausen zu kennen schien. Als Assistent von Oswald Haerdtl an der Akademie für angewandte Kunst folgte er zunächst dessen sehr wienerischer "moderater Moderne". Doch so wie ihm das graubraune Wien bald zu klein war, wurde ihm auch das Korsett der gediegenen Interieurs zu eng. Die Moderne, die er anstrebte, war nicht moderat.