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Was haben Andy Warhol, die Kaiserjäger und ein Pandabär gemeinsam? Sie sind Nachbarn im neuen Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen in Hall in Tirol der Wiener Architekten Franz&Sue

"Willkommen in meinem Heiligtum!" Eine fensterlose Halle, Sichtbeton, Neonlicht. Sakral sieht es nicht gerade aus, doch Peter Morass fühlt sich an seinem neuen Arbeitsplatz schon voll und ganz zu Hause. Der Präparator der Tiroler Landesmuseen, stolzer Taxidermie-Europameister 2004 (Disziplin Rotgesichtsmakaken), hat endlich alle seine Werke übersichtlich beisammen – Mollusken, Schnecken, Schmetterlinge, Tausende von winzigen Insekten in Holzkisten und einen ausgewachsenen Tiger. Von der Decke hängen ausgestopfte Raubvögel, ein Wildschweinkopf lugt aus einer Holzkiste. "Wollen Sie mein wertvollstes Exponat sehen?" Na klar. Ganz hinten im Stahlregal und ganz unscheinbar: ein Dünnschnabel-Brachvogel, präpariert im Jahr 1896, eine inzwischen fast ausgestorbene Schnepfenart.

Auch Günther Dankl, Kustos der kunstgeschichtlichen und grafischen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, ist glücklich in seinem fensterlosen Archiv. Werke von Andy Warhol und Albin Egger-Lienz sind sauber geordnet, die Hängung optimiert und systematisiert. "Vorher war die Sammlung sehr beengt, jetzt haben wir endlich Platz." Platz auch für das Wachstum der Sammlung in der Zukunft, denn ein großer Teil des Depots ist noch leer. Das Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen bündelt naturwissenschaftliche und kunsthistorische Objekte ebenso wie das Depot der Kaiserjäger erstmals an einem Ort.

Der forensische Architekt Eyal Weizman sucht für seine Arbeit Krisenherde auf und untersucht Kriegsschauplätze wie ein Detektiv Wie rekonstruiert man ein syrisches Foltergefängnis, zu dem niemand Zugang hat? Wie findet man Zeit und Ort eines Raketeneinschlags in Gaza heraus, wenn man nur Handyvideos und Fotos hat, die meisten davon falsch datiert? Wie findet man heraus, ob der Mann vom Verfassungsschutz den NSU-Mord am 6. April 2006 in Kassel wirklich nicht bemerkt hat, obwohl er im Nachbarzimmer saß? Die Antwort: mit architektonischen Mitteln. Das Finden von Beweisen durch penibelste geografische Analysen, digitale Modelle und im Maßstab 1:1 nachgebaute Räume ist das Fachgebiet des am Londoner Goldsmiths College ansässigen Büros Forensic Architecture. Gegründet wurde es vom Architekten Eyal Weizman, die so faszinierenden wie erschütternden Analysen von Verbrechen wurden unter anderem auf der Architekturbiennale Venedig 2016 gezeigt. Beim Forum Alpbach hielt Eyal Weizman am Donnerstag die Keynote zu den Baukulturgesprächen. Im STANDARD-Interview erzählt er von der Pathologie der Architektur.

Herr Weizman, können Sie nach der Arbeit ruhig schlafen?

Weizman: Ich schlafe eigentlich sehr gut. Vielleicht hilft mir das, Gedanken zu verarbeiten, die mich sonst ablenken würden.

Warum sucht man sich Kriege und Krisenherde als Tätigkeitsfeld für Architektur aus?

Weizman: Ich bin in Israel aufgewachsen, war dort bei der Armee. Krieg und Konflikt sind dort immer präsent. Später habe ich mit Menschenrechtsorganisationen in Palästina israelische Siedlungen analysiert. Wir stellten fest: Kriegsverbrechen werden nicht nur von Generälen und Politikern begangen, sondern auch von Architekten durch das Ziehen einer Linie am Zeichentisch. Wer dort ein neues Wohngebiet entwirft, plant nicht nur Häuser, sondern oft wird dadurch auch ein palästinensisches Siedlungsgebiet entzweigeteilt und der Lebensraum der Bewohner verkleinert, mit dem Ziel, sie ganz zu vertreiben.

Seit 27 Jahren erforscht die Norwegerin Sissel Tolaas die Welt mit ihrer Nase. Ihr Spezialgebiet: Der Geruch der Stadt. Ein Gespräch darüber, wie wir unsere Umgebung erfahren können, wenn wir die Sprache der Düfte lernen.

Fisch, Sand, Asphalt, Blüten, Lebensmittel, Körperschweiß. Exakt 6730 Düfte, ordentlich gelabelt und in kleinen Fläschchen aufbewahrt, umfasst das Labor von Sissel Tolaas, in einem Zimmer ihrer Altbauwohnung in Berlin-Wilmersdorf.  Tolaas, 1965 in Norwegen geboren, ist ein weltumreisender Wirbelwind und ein Synapsen-Schwergewicht: Sie studierte Chemie, Mathematik, Linguistik und Kunst in Oslo, Warschau, Moskau, St.Petersburg und Oxford. Ihre Spürnase führt sie im aromatischen Schnittbereich von Forschung und Kunst um den Globus, von Seoul nach Melbourne, von Istanbul über Houston nach Wien. Kein Wunder, dass ein Gespräch mit ihr in Hochgeschwindigkeit abläuft. Einatmen, Ausatmen, und los.

Was hat Sie auf die Spur der Düfte gebracht?

Sissel Tolaas: Als ich 1990 damit angefangen habe, hat das niemanden interessiert. Die Leute sagten zu mir: Gerüche? Du spinnst ja! Was mich daran faszinierte? Die Frage, ob man Gerüche systematisch lernen kann wie eine Sprache, wie sie als Informationsträger dienen können, und vieles mehr. Und es ging mir darum, Vorurteile abzubauen.

Ihre eigenen Vorurteile?

Tolaas: Nicht nur. Wir haben alle unsere Vorurteile gegenüber Gerüchen, wenn sie mit unangenehmen Erlebnissen verknüpft sind. Solche Ersteindrücke vergisst das Gehirn nie. Aber Gerüche sind nicht per se gut oder schlecht. Also versuchte ich, mich ihnen nicht emotional, sondern rational zu nähern. Ich machte mich selbst zum Versuchskaninchen. Sollte das erfolgreich sein, so sagte ich mir damals, würde ich von da an mein Leben meiner Nase widmen. Nach sieben Jahren Feldforschung wusste ich: Das ist es.

Schon bald darauf haben Sie begonnen, den Duft der Stadt zu erforschen.

Tolaas: Von 2002 bis 2004 habe ich für das Projekt SmellScape Berlin verschiedene Bezirke der deutschen Hauptstadt analysiert. Damals war Berlin noch um einiges vielfältiger als jetzt, es gab viele unentdeckte Welten. Reinickendorf zum Beispiel, ein grauer Bezirk im Nordwesten. Niemand fuhr extra da hin. Auch ich war nie dort gewesen, aber ich zwang mich, meine Komfortzone zu verlassen.

Der Dokumentarfilm “Citizen Jane“ erzählt die Geschichte der Autorin und Aktivistin Jane Jacobs, die im New York der 1960er Jahre den Kampf gegen die Technokraten aufnahm – und gewann. Ihr damals revolutionärer Blick auf die Stadt als lebendiger Organismus prägt den Urbanismus bis heute.

Es gibt Geschichten, die wie für Filme gemacht sind. Geschichten, in denen die Rollen von Held und Bösewicht so perfekt verteilt sind, das sie fast ausgedacht scheinen. Ein solches Märchen von David gegen Goliath ereignete sich vor einem halben Jahrhundert in New York. Die Protagonisten: Eine kluge und selbstbewusste Frau Mitte 40, wache Augen hinter der Hornbrille. Ein Technokrat Mitte 70, großgewachsen, herrisch und mit enormer Machtfülle ausgestattet, obwohl er nie gewählt wurde. Ihre Namen: Jane Jacobs und Robert Moses. Ihr Streit darüber, in welche Richtung sich New York entwickeln sollte, wurde nicht nur von ihren denkbar konträren Charaktern befeuert, sondern war auch eine Zeitenwende, was die Geschichte des Urbanismus betrifft.

Dieses Duell der Ungleichen ist zwar immer noch kein Spielfilm geworden, aber ein Dokumentarfilm mit Spielfilmqualitäten. „Citizen Jane“ schließt die New Yorker Story von Jacobs und Moses mit der globalen Stadtentwicklung von heute kurz, der Filmemacher Matt Tyrnauer ist dabei ganz parteiisch auf der Seite der streitbaren Jane und ihrer Idee von Stadt.

Vor 20 Jahren baute Renzo Piano der Fondation Beyeler in Basel ein fast perfektes Museum. Jetzt soll Peter Zumthor den Bau erweitern. Museumsdirektor Sam Keller über die Museumslandschaft im 21. Jahrhundert

Riehen bei Basel ragt als schmaler Zipfel Schweiz nach Deutschland hinein, doch der Ausblick in die Landschaft ist frei von Grenzen. Zumindest, wenn man aus Renzo Pianos 1997 eröffnetem Kunstmuseum Fondation Beyeler in sie hineinschaut. Seinerzeit als kleine Revolution der Museumsarchitektur gefeiert, vor allem dank seiner Deckenkonstruktion, in der der italienische Architekt das Tageslicht durch so viele Filter schickte, bis es genau richtig war für die Kunst.

20 Jahre: eine kurze Spanne für Architektur, eine lange für die Kunst. Museen sind inzwischen zu Flaggschiffen des Stadtmarketings geworden. Blockbuster-Ausstellungen, Events und Workshops gehören zum Pflichtprogramm. Auch in Basel spürte man den Drang zur Erneuerung: mehr Platz für die Sammlung, für Veranstaltungen und Experimente. Den Ort dafür fand man auf dem Nachbargrundstück: Dort verbirgt sich hinter unscheinbaren Häusern ein verwunschener Park mit prächtigen Bäumen. Also lud man elf Architekten nach Basel, davon vier aus der Schweiz, und ließ sie gegeneinander antreten. Im Mai 2017 wurde Peter Zumthor als Sieger bekanntgegeben.

Innsbrucker Forscher und Architekten entwickeln Pläne für Energiespeicher als Basis für schwimmende Städte und bauen energieautarke Fischerhäuser

Von archaischen Atlantis-Legenden über schwimmende Bond-Bösewicht-Kommandozentralen bis zu Kevin Costners dystopischem Film Waterworld: Das Leben auf dem Meer hat die Menschheit schon immer fasziniert. Visionen, die zwischen Zukunftsoptimismus und Katastrophenszenarien oszillieren und manchmal beides miteinander verbinden. Angesichts der Prognosen hinsichtlich des Ansteigens des Meeresspiegels, die küstennahe Regionen und Städte zu prekären Gefahrenzonen machen, gewinnen diese Pläne heute an Dringlichkeit.

Auch Architekten haben sich immer wieder dieser maritimen Faszination angenommen. 1960 präsentierte Kenzo Tange seinen heute megaloman anmutenden Plan zur Überbauung der gesamten Bucht von Tokio mit einer Stadt auf dem Wasser. Es blieb eine Vision. In den vergangenen Jahren entspann sich ein wahrer Wettbewerb um die aufsehenerregendsten Bilder für schwimmende Siedlungsformen der Zukunft. Bisher gingen diese Pläne jedoch selten über den glattgebügelten Investorenfuturismus schicker Computervisualisierungen hinaus. Über die Frage, wie schwimmende Zukunftsstädte technisch genau funktionieren sollten, schwieg man sich meistens aus.

Ein interdisziplinäres Team an der Universität Innsbruck hat sich jetzt darangemacht, solche Pläne konkreter werden zu lassen. Zwei Projekte, die zurzeit auf der Expo im kasachischen Astana ausgestellt werden, kombinieren die Aspekte Energiegewinnung, Energiespeicher und Architektur. Die Frage, wie man aus Wind und Sonne gewonnene Energie speichert, um sie zum richtigen Zeitpunkt wieder ins Netz einspeisen zu können, beschäftigt die Wissenschaft seit langem. Markus Aufleger, Robert Klar und Bernd Steidl vom Arbeitsbereich für Wasserbau der Fakultät für Technische Wissenschaften in Innsbruck haben dazu ihr eigenes Patent entwickelt: Das Projekt mit dem Namen Buoyant Energy setzt auf im Meer schwimmende Hohlkörper. Die Energie dient hierbei dazu, die Hohlräume leerzupumpen, wodurch der Körper auftreibt. Wird die Energie wieder benötigt, lässt man den Körper wieder mit Wasser volllaufen, wodurch eine Turbine angetrieben wird.

Die Ursachen für die Brandkatastrophe in London werden noch untersucht. Die Versäumnisse sind jetzt schon frappant.

Am 16. Mai 1968 zündete Ivy Hodge den Gasherd in ihrer Küche im Londoner Hochhaus Ronan Point an, das erst zwei Monate zuvor fertiggestellt worden war. Sekunden später war eine komplette Seite des 22-stöckigen Plattenbaus wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, vier Menschen starben. Von diesem Zeitpunkt an galten Wohnhochhäuser in Großbritannien als Fehlentwicklung, Ronan Point wurde zum Synonym für die Stigmatisierung des sozialen Wohnbaus.

Dabei war es die kaum zu fassende Inkompetenz in der Bauausführung, die zur Katastrophe geführt hatte. Einige Hochhäuser wurden in den 1970er-Jahren dennoch realisiert, darunter der 1974 eröffnete Grenfell Tower, in dem es vorige Woche zur albtraumhaften Brandkatastrophe mit mindestens 79 Toten kam. Die zu Recht wütenden Proteste legen nahe, dass Grenfell Tower ebenso wie Ronan Point zum Fanal eines Gesinnungswandels wird. Welcher das sein wird, ist noch unklar, denn zu viele Fehlentwicklungen bündeln sich in diesem Desaster: die Profitmaximierung des Wohnbaus, das Outsourcing von Kontrollen, die Vertreibung Benachteiligter aus der Stadt, völlig überforderte Behörden, die Einschüchterung von Bewohnern, die vor der Gefahr gewarnt hatten.

91 Lebensjahre, zwei Jahrhunderte, 532 realisierte Bauten, ruhmreiche Höhen und tragische Katastrophen. Vergangene Woche jährte sich der Geburtstag des "größten Architekten aller Zeiten" zum 150. Mal. Großartig, dass er gleich mehrere Architekten-Archetypen in sich vereinigte. Hier sind fünf davon.

Der Superstar

Frank Lloyd Wrights ehrgeizige Mutter Anna plante für ihren Sohn eine Architektenkarriere, und er sollte sie nicht enttäuschen. Seine Selbstinszenierung begann schon mit dem Vordatieren seines Geburtsjahres, um sich jünger zu machen, später warf er sich regelmäßig für Fotografen in Heldenpose. An der Unfehlbarkeit seines Urteils über Architektur bestand für eine Person niemals ein Zweifel, und zwar für ihn selbst. Noch mehr Indizien? Zum Beispiel seine Liebe zu schnellen Autos, die schon 1910 mit dem Kauf eines rasanten gelben Stoddard-Dayton begann, mit dem er seine Nachbarn terrorisierte und seine Geliebte chauffierte. Man liegt also sicher nicht falsch, wenn man Wright als Blaupause sowohl für die realen Stars des späten 20. Jahrhunderts als auch für die zahlreichen Architektenklischees, die dem Beruf oft zu Unrecht attestiert werden, ansieht. Sollen wir ihm dafür böse sein? Er war nun mal tatsächlich ein Genie, und schien für Ruhm prädestiniert: "Niemand hätte sich getraut, Wrights Leben zu erfinden. Es hätte schlicht zu melodramatisch geklungen", urteilte die Architekturkritikerin und Wright-Biografin Ada Louise Huxtable.

Die erste Ausstellung im Wiener Architekturzentrum unter Angelika Fitz ist dem Kollektiv Assemble gewidmet. Wie gelingt es, der Architektur mit kollaborativem Geist neues Leben einzuhauchen? Ein Werkstattbesuch in London

Bermondsey, Südostlondon, ein Stück flussabwärts von der Tower Bridge: fast dörfliche Straßen mit niedrigen Reihenhäusern, dazwischen Industrieareale. Die Straßen sind fast leer, die Stille des Montagnachmittags scheint ein Warten auf etwas zu suggerieren. Wie viele Viertel der schnell wachsenden Metropole lauern auch hier Developer auf den großen Reibach mit lukrativen Bodenpreisen. Noch herrscht Ruhe vor dem Sturm, noch gibt es Nischen und Lücken. Zum Beispiel diese: ein ehemaliges Schulgebäude in einer Nebenstraße, eine Tür in der fensterlosen Fassade, ein dunkles Stiegenhaus, eine weitere Tür, kein Namensschild. Dahinter Werkstattgeräusche, Hämmern und Sägen, in der Küche hängt ein Zettel mit der Bitte, keinen Ton, Lösungsmittel oder Farbe ins Waschbecken zu schütten. Auf einem Fenstersims lehnt ein kleines Schild, darauf in Großbuchstaben das Wort ASSEMBLE.

Was hier so improvisiert, fast studentisch wirkt, ist die Hauptzentrale eines der erstaunlichsten Architekturphänomene der letzten Jahre. Nicht nur, weil Assemble 2015 überraschend den Turner Prize, die höchste britische Kunstauszeichnung, verliehen bekamen. Nicht nur, weil sie als 15-köpfiges Kollektiv ohne Hierarchien operieren und manche Teammitglieder gar keine Architekten sind. Sondern auch, weil sie in Zeiten, in denen Architekten vor lauter Normen, Vorschriften und einer mit Anwaltsarmaden zum Claim-Management-Monster aufgerüsteten Bauindustrie nur noch Randfiguren zu sein scheinen, eine unbekümmerte Direktheit des Machens an den Tag legen. Ihr erstes Projekt starteten sie, als manche von ihnen noch studierten und andere in diversen Büros arbeiteten, gearbeitet wurde abends und am Wochenende, zu Hause oder in Cafés. Das Ergebnis hieß "Cineroleum", ein temporäres Kino in einer ehemaligen Tankstelle, eingehüllt in einen glamourösen Metallvorhang, der nach Ende der Vorstellung den Blick auf die Stadt freigab.

Ein Haus ist ein Haus. Aber kann es nicht auch eine Stadt sein oder ein Garten? Ganz ohne Wände? Wohl kein Land denkt so radikal über das Wohnhaus nach wie Japan. Eine Ausstellung in London feiert den Erfindungsgeist seiner Architekten

"Tree. Wind. Sky." Yasuo Moriyama streckt sich auf dem Boden an seiner offenen Fenstertür im ersten Stock, ein Buch in der einen Hand, mit der anderen fährt er sich durch seinen silbergrauen Haarschopf, er lächelt schüchtern-verschmitzt in die Kamera. Er deutet nach draußen: Baum. Wind. Himmel. Moriyama-san scheint ein Mensch zu sein, der alles hat, was er braucht. Das liegt möglicherweise daran, dass er in einem Haus wohnt, das genau auf ihn zugeschnitten wurde.

Wobei, Moment: Ist es wirklich ein Haus? Oder eher ein Dorf? Ein zu groß geratenes Architekturmodell, oder eine zu klein geratene Stadt? Zehn weiße Würfel, ein- bis dreigeschoßig, im kleinsten findet gerade mal eine Dusche Platz. Zwischen den Würfeln ist Draußen, rundherum ist Tokio. Doch Innen und Außen sind in Japan selten klar getrennt. Kein Wunder, dass Herr Moriyama am liebsten genau dort sitzt und liegt, wo sie verschwimmen.

Das Haus und der Film über seinen Benutzer bilden das Herzstück der Ausstellung The Japanese House, die vorige Woche im Londoner Barbican Centre eröffnet wurde. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn die Begeisterung westlicher Architekten für japanische Häuser hat zurzeit den Zustand nahezu kompletter Hingabe erreicht. Nicht zum ersten Mal. Schon Frank Lloyd Wright war gegen Ende des 19. Jahrhunderts geradezu besessen von Japan, und Bruno Taut soll bei seinem Besuch der Katsura-Villa in Kyoto 1933 in Freudenschreie ausgebrochen sein.