Goodbye, Normklassenzimmer: Der Bildungscampus im Sonnwendviertel gilt als Revolution des Wiener Schulbaus. Jetzt ist er fertig. Eine erster Rundgang durch die neue Pädagogik.
Beginnen wir mit einem kleinen Selbstexperiment: Erinnern Sie sich an die Schulgebäude, nein, besser noch, an die besten Spielplätze Ihrer Kindheit. Was machte sie so ideal zum Spielen? Hand aufs Herz: Sicher nicht die Tatsache, dass sie rot, gelb und blau angemalt waren. Viel wichtiger: Die räumliche Vieldeutigkeit. Das Klettergerüst war ein Indianerfort, aber auch ein Raumschiff, zehn Minuten später der Palast von Marie Antoinette, gleichzeitig auch die Stelle, wo man beim Fangespielen sicher war. Welche Farbe das Klettergerüst hatte, war komplett wurscht. Neugier und Lernen braucht nicht Farbe, sondern Raum.
Aber so wie man die Episoden der Kindheit gerne vergisst, werden auch ihre Qualitäten oft ignoriert, was unseren Spielplätzen die Möblierung mit buntem, aber sinnlosem Wippgeflügel beschert hat, das nichts anderes kann als wippen. In den Schulen kam jahrzehntelang weder Farbe noch räumliche Spannung auf, dank seit dem 19.Jahrhundert gesetzlich festgelegter Normklassenzimmer mit Normbänken, Normtafeln und Normwaschbecken. Etwas anderes als Normunterricht war hier nur mit Mühe zu realisieren.
Dabei war man schon einmal weiter: In der Aufbruchstimmung der 1960er und 1970er Jahren wurde mit neuen Lern- und Raummodellen experimentiert. In den Niederlanden waren dies die offenen Lernlandschaften des humanistischen Architekten Herman Hertzberger; in Österreich die Bauten von Ottokar Uhl oder die reformpädagogische Stadt des Kindes von Anton Schweighofer. Es blieben Experimente. Erst in den letzten Jahren ist so etwas wie die zweite Welle des innovativen Schulbaus zu verzeichnen: Die Schule im dänischen Hellerup, zwei Jahre lang von einem interdisziplinären Team ausgetüftelt, die komplett auf Klassenzimmer verzichtet, wurde ein weltweit beachtetes Vorzeigeobjekt. Bewegung, Projektunterricht, klassenübergreifendes Lernen anstatt Frontalunterricht.