Österreichs höchstes Haus, der 250 Meter hohe DC Tower, wurde letzte Woche eröffnet. Dass ihm sein Twin noch fehlt, ist nicht der einzige Grund, warum der Turm an metaphorischer Überlastung krankt.
Das erste Pärchen posiert schon: Die blondierte Dame betrachtet sich in der schwarzen Spiegelfassade, während ihr Begleiter sie ablichtet. Daneben erkunden Skater die neuen Betonoberflächen, andere fotografieren blinzelnd nach oben. Die gefaltete Glasfassade des DC Tower ist definitiv ein Hingucker. Letzte Woche wurde das mit 250 Metern (inklusive Antenne) und 60 Geschossen höchste Hochhaus Österreichs eröffnet. Dunkel ist nicht nur die Glasfassade: Schwarz sind auch die kantigen Metallschirme, die wie durcheinandergewürfelte spanische Reiter vor dem Eingang im Boden stecken. Sie sollen die berüchtigten Hochhaus-Fallwinde, unter denen die Donauplatte leidet, abfangen. Das Foyer und die Lobby des zur spanischen Kette Mélia gehörenden Hotels sind mit dunklem Granit ausgekleidet, im Restaurant schraubt sich eine silbern eingekleidete breite Wendeltreppe über drei Geschosse. Eine unaufdringliche, weltläufige Eleganz lässt sich dem Interieur nicht absprechen. Das Faible für Schwarz in Architektur und Kleidung teilt sich der DC-Tower-Architekt Dominique Perrault schließlich mit seinem Landsmann Jean Nouvel, dessen Sofitel am Donaukanal von ähnlich schattiger Noblesse ist.
Noch steht der Turm (Baukosten rund 300 Millionen Euro) alleine zwischen Inseln aus Bambus und den Gruben, die seit jeher die Baulücken auf der Donauplatte kennzeichnen. Zumindest der Zugang zur Neuen Donau soll bald fertiggestellt sein, als Teil des Masterplans, den Perrault für die Uferzone der Donau City entwarf. Kernstück des Plans ist jedoch das Turmpaar, von dem jetzt vorerst nur ein Teil fertiggestellt ist. Ob der mit 44 Geschossen etwas niedrigere DC Tower 2 kommt, werde in den nächsten zwei Jahren entscheiden, so Thomas Jakoubek, Vorstand des Bauträgers WED und Geschäftsführer der BAI.
Ein Tor ins Nichts
Dominique Perrault hat zumindest verbal alle Weichen dafür gestellt: Wie zwei ungleiche Hälften eines gigantischen auseinander gebrochenen Monolithen, die ein Tor bilden, sei das zueinander angezackte Paar zu verstehen, beschrieb er seinerzeit die Entwurfsidee, ein Brückenkopf sei es noch dazu. Dass er im Laufe des Projektes plötzlich auch noch die Donauwellen als Drittbegründung für die bewegte Fassade ins Spiel brachte, mag dazu dienen, eine eventuelle Zukunft ohne Turm Nummer 2 vorsorglich metaphorisch abzufedern. In der Summe droht die wellenförmige architecture parlante mit dieser Symbolüberfrachtung auf Grund zu laufen.
Doch selbst wenn alles glatt geht, und sich die Twins tatsächlich materialisieren, hakt das schöne Bild vom Tor. Wenn man von der Stelle, die dereinst den Mittelpunkt zwischen den Türmen bilden soll, Richtung Donau City blickt , endet das monumentale Entrée nach wenigen Metern an einer Buchsbaumhecke, einer Zufahrtsrampe zur Donauautobahn, und dem Endstück von Wilhelm Holzbauers Techgate-Riegel, der selbst schon als brückenartiger Torbau über der breiten Fußgängerpromenade Richtung Kaisermühlen ausgebildet ist, allerdings rund 100 Meter weiter links. Der eigentliche Zugang zur Donau-City, die Reichsbrücke, liegt wiederum in die andere Richtung. Sprich: Das Tor mag aus der Fernsicht symbolisch als transdanubischer Triumphbogen fungieren, stadträumlich führt es ins Nichts.
Friedhof der Masterpläne
Dieses beziehungslose Nebeneinander ist symptomatisch für die Donauplatte: Perraults Masterplan ist nur der letzte einer ganzen Reihe von Plänen für die Platte, die nicht oder nur halb realisiert wurden. Es begann mit den Planungen für die EXPO 1995 Wien/Budapest, die 1991 an einem Volksentscheid scheiterte. Das 17 Hektar große Gelände neben der UNO-City war bis dahin als Mülldeponie genutzt worden, deren Aushub resultierte in dem 9 Meter tiefen Loch, über dem die Platte mit dem neuen Stadtteil entstehen sollte. Dieser wurde 1991 im Masterplan der Architekten Krischanitz und Neumann festgeschrieben, inklusive einer Höhenbegrenzung von 120 Metern. Aus der EXPO AG war inzwischen die WED (Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum) geworden, an der die größten österreichischen Banken und Versicherungen beteiligt sind.
Statt niedriger Baublöcke mit freien Erdgeschossen, wie im Masterplan vorgesehen, entstanden in Folge jedoch ein Sammelsurium von eitlen Einzelbauten unter der Prämisse der Gewinnmaximierung. Die immer wieder angedachte öffentliche Nutzung für Museen oder Hochschulen wurde nie realisiert. Über die Platte wehte der Wind, in den Baulücken gähnte das 9-Meter-Loch. Gerade der wichtigste Teil, das Ufer der Neuen Donau, blieb unbebaut und unwirtlich, eine Wüste hinter der langsam zur Rambazamba-Ruine zerfallenden Copa Kagrana. 2002 schließlich begann Perrault mit dem Masterplan für den Uferbereich. Von einem 120-Meter-Höhenlimit hatte man sich stillschweigend verabschiedet.
Freitreppe ins Unterholz
Eines muss man dem DC-Tower jedoch anrechnen: Es ist das erste Hochhaus der Donau City, das mit dem tristen Unterholz aus Parkgaragen und lichtlosen Zufahrten, das sich unter der Platte befindet, etwas anfängt: Mit seiner nach oben offenen platzartigen, sorgfältig gestalteten Vorfahrt und der Freitreppe zum Restaurant und der Donauterrasse gelingt ihm eine elegante Überbrückung der zwei Ebenen.
Bedauerlicher ist dafür das diskrete Scheitern einer Kernidee des Masterplans: Die von Perrault als Infusion städtischen Lebens intendierte gemischte Nutzung wird wohl ein Luftschloss bleiben. "Wohnungen sind theoretisch und praktisch immer noch möglich", betonte WED-Chef Jakoubek zwar im November 2012, doch gab man sich damals schon vorsichtig. Nach der Fertigstellung hält man sich beim Investor noch offen, ob sich in den Geschossen 53 bis 56 Wohnungen oder Büros ansiedeln. Eine Handvoll Luxuslofts wird jedoch das städtische Leben kaum mehr bereichern als vier weitere Geschosse mit Büros. Der DC Tower Nummer 2, sollte er gebaut werden, wird daran nichts ändern, er war vor vornherein für eine reine Büronutzung vorgesehen.
Ist der DC Tower also dazu verdammt, ein weitere Grabstein am Friedhof der Masterpläne zu werden? Sollte er Single bleiben, sieht es jedenfalls nicht gut aus: Mit drei Fassaden, die der Stadt die kalte Schulter zeigen, und einer vertikalen Donauwelle an der vierten Seite, die in eine semantische und räumliche Leere schaut, würde ihm das Gleichgewicht fehlen. Kommt der zweite Turm, hat Wien zumindest ein Tor ins Nirgendwo.