Wang Shu wurde am Freitag als erstem Chinesen der Pritzker-Preis verliehen. Ein Gespräch über die Gefahren des Baubooms und die Poesie chinesischer Gärten
STANDARD: Im Februar wurde Ihre Kür zum Pritzker-Preis-Träger bekanntgegeben. Hat sich Ihr Leben seitdem verändert?
Wang: Mein Leben ist noch genau dasselbe. Doch in China wurde der Preis sehr genau registriert. Sie müssen wissen, dass Architektur in China erst in den 1990er-Jahren überhaupt in den Medien beachtet wurde. Die Öffentlichkeit hat sich bisher jedoch fast gar nicht dafür interessiert. Das ändert sich gerade.
STANDARD: Wie reagieren die Architekten auf diese Resonanz?
Wang: Die jungen Architekten sind von dieser Aufmerksamkeit natürlich begeistert. Und die älteren, die in den Planungsstellen im System arbeiten, wachen langsam auf und beginnen zum ersten Mal, Kritik an der Überkommerzialisierung unserer Städte zu üben.
STANDARD: Das heißt, die Architekten haben bisher geschlafen?
Wang: Ja. Die heutigen Architekten sind eine Generation, die ihre kulturelle Identität und ihre Fähigkeit, Dinge historisch einzuordnen, verloren hat. Der Grund dafür ist, dass die Entwicklung viel zu schnell vorangeht und man vor lauter Zeitmangel die wichtigen Probleme immer weiter aufschiebt. Ein zweiter Grund ist die Kommerzialisierung und Politisierung. Die massive Verstädterung und Bauwut haben das harmonische Zusammenleben und die gewachsene Kultur nahezu zerstört.