Das einzige Bad in der Salzburger Innenstadt stammt aus den 50er Jahren. Nach jahrzehntelangen Debatten gab es schließlich grünes Licht für Abriss und Neubau. Im Wettbewerb galt es, das umfangreiche Raumprogramm einer Badelandschaft in die Höhe zu stemmen.
Neubauten sind seit jeher eine heikle Gratwanderung in der Stadt Salzburg, die all zu oft verzückt vor dem Spiegel ihrer eigenen Denkmalhaftigkeit erstarrt. Kein Wunder also, dass sich die Diskussion über ein neues Hallenbad gut vier Jahrzehnte hinzog. Da ist einerseits das Paracelsusbad, eine helle, unkomplizierte Schwimmhalle aus den 1950er Jahren mit angeschlossenem Kurhaus, das als einziges Bad in der Innenstadt idyllisch am Rande des Parks von Schloss Mirabell.liegt. Und da sind andererseits die Ansprüche der Gäste in Zeiten überbordender Wellnesslandschaften, die es in keinster Weise bedienen kann.
Erst als das österreichische Bundesdenkmalamt Anfang 2010 mitteilte, das alte Bad stehe nun definitiv nicht unter Schutz, erhielten die Neubauplanungen wieder Schwung. Die Überlegungen der Stadt, das Filetgrundstück lukrativ zu veräußern und ein Ersatzbad am Stadtrand zu bauen, wurden nach Bürgerprotesten fallengelassen und die Weichen in Richtung Abriss und Neubau am selben Ort gestellt. Vor genau einem Jahr gab der Gestaltungsbeirat grünes Licht, im März schrieb die Stadt Salzburg Immobilien (SIG) einen offenen, EU-weiten, zweistufigen Wettbewerb für den 5000-Quadratmeter-Bauplatz aus.
Schon da wurde deutlich, dass eine neuartige Badelandschaft in der Innenstadt einiges an räumlichem Umdenken erfordern würde. Vorstudien der Stadt hatten ergeben, dass die geplanten 850 m2 Wasserfläche (inklusive Riesenrutsche) und 900 m2 Saunalandschaft idealerweise ganz oben liegen sollten - mit Blick über die Baumkronen aufs Weltkulturerbe der Salzburger Altstadt. Der Rest der 10.200 m2 Nutzfläche, das Kurhaus und die im Zuge der Querfinanzierung zu übersiedelnden Büros der Stadtverwaltung, würden somit einen Sockel für das "Panoramabad" bilden können, ein separates Seniorenheim mit 1600 m2 war als separater Bauteil anzugliedern. Noch dazu muss der gesamte Umbau bei laufendem Betrieb abzuwickeln sein. Und das alles bei einem Budget von 37 Millionen Euro.
Wie die am 4. Oktober präsentierten Einreichungen der 2. Runde zeigen, ist das Stapeln einer Landschaft aus Schwimmbecken mit insgesamt gut 1500 Tonnen Wasser ein ziemlicher Kraftakt. An Ideen für das Baden auf der Etage war so gut wie alles dabei: Berger & Parkkinen (2. Preis) fügten die Schwimmbecken als offenes Geschoss in einen geschlossenen Baukörper, kadawittfeldarchitektur (3. Preis) hoben sie in einen wuchtigen brückenartigen Bügel über einem breitem Durchgang in den Park. Atelier Thomas Pucher (Nachrücker) zersprengten das gesamte Raumprogramm in kleine Kuben, Sophie und Peter Thalbauer (Anerkennung) setzten die Bäder dem Rest als wild bewegte Dachlandschaft auf.
Sieger wurde überraschend das kleine Berliner Büro HMGB (Heike Matcha und Günter Barczik), das die Schwimmbecken nicht brav nebeneinander auf eine Etage legte, sondern vertikal in einer kaskadenartigen Abfolge stapelte. Der Panoramablick in die Ferne tritt somit zugunsten der Parkaussicht zurück; die Verzerrung der südseitigen Glasfassade zeichnet den dahinterliegenden Badeparcours nach. „Fließende Grenzen zwischen innen und außen sowie eine innige Verschränkung mit dem Kurgarten bestimmen die einzigartige Atmosphäre des Bades," lobte die Jury (Vorsitz: Peter Riepl). Es ist zweifellos der Entwurf, der das Thema „Badelandschaft" am spektakulärsten umgesetzt hat.
Doch ist die Stapelung eines Badespaßprogramms in die Vertikale eine wirklich so gute Idee? Sicher: Das Weltkulturerbe Salzburg ist kaum auf zusätzliche Badetouristen angewiesen. Und auch die Tatsache, dass das Treppensteigen in Badelatschen für Senioren eher eine Horrorvorstellung sein dürfte, wird angesichts der Zielgruppe Familien und Jugendliche verschmerzt werden können. Aber die Zeiten, in denen Badewelten vor allem in kleineren Gemeinden als Goldesel galten, sind in Österreich vorbei. Die Thermen Blumau und Loipersdorf schreiben massive Verluste, die im steirischen Fohnsdorf war laut Bundesrechnungshof ein Fehlkonzept und führte zur Auflösung des Gemeinderats. Die Felsentherme in Bad Gastein bilanziert Millionenschulden, und die Sanierung von Roland Rainers Stadthallenbad in Wien verlängert sich nach Wasserschäden in ungewisse Ewigkeit.
Dass die luftig-skulpturale Form des Siegerentwurfs einen höheren Aufwand bedeutet, war bei der Verkündung des Wettbewerbsergebnisses allen bewusst. Die Stadt hat sich trotz der abzusehenden Mehrkosten dennoch fraktionsübergreifend für das Projekt ausgesprochen.
(erschienen in: Bauwelt 1-2/2013)