Bauen für oder gegen die Macht: Was bedeutet die Trump-Präsidentschaft für die Architektur und für die Städte der USA? Der erste Widerstand aus der Architektenschaft lässt nicht lange auf sich warten
"Architekten sind im Grunde nicht viel mehr als Edelhuren", sagte Philip Johnson einst in einem Interview. "Wir können Projekte ablehnen, aber wir müssen zu irgendwem Ja sagen, wenn wir im Geschäft bleiben wollen." Johnson, der erste Pritzkerpreisträger überhaupt und eine der schillerndsten und kontroversesten Architektenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, war der zynischen Zuspitzung zeit seines Lebens nicht abgeneigt, dürfte sein süffisantes Rotlichtgleichnis aber ernst gemeint haben. War er doch mit seinen Nazi-Sympathien der 1930er-Jahre, die ihm lebenslang anhingen, ein Paradebeispiel für die Gratwanderung zwischen Anbiederung an die Macht und kritische Distanzierung von ihr. Kann man moralisch integer bleiben, wenn man für moralisch nicht integre Auftraggeber baut?
Diese Frage hat aus naheliegenden Gründen in den USA wieder an Brisanz gewonnen. Das erste Aufflammen dieser Debatte in der Architektenschaft ließ nur drei Tage nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten auf sich warten. Schon am 9. November 2016 sandte Robert Ivy, Vorsitzender des American Institute of Architects (AIA), eine ergebene Grußadresse an den President-elect. "Wir stehen bereit, mit ihm und dem kommenden Kongress zusammenzuarbeiten", hieß es da, mit besonderer Erwähnung der 500 Milliarden Dollar, die Trump im Wahlkampf für Infrastrukturprojekte auszugeben versprochen hatte.
Die AIA-Mitglieder waren wenig amüsiert. Eine Flut von Architekten distanzierte sich wütend von dem anbiedernden Schreiben, Architekt Michael Sorkin verfasste gleich ein ganzes Manifest namens "Architects against Trump". "Wir dürfen nicht mitschuldig sein am Bau von Trumps Mauer, wir müssen uns zusammentun, um sie einzureißen", lautete der kämpferische Schlusssatz in seiner Streitschrift.
Denn so verlockend die Personalunion von Tycoon und Staatsoberhaupt für die Baubranche scheinen mochte, stellt die Person selbst für die Mehrzahl der Architekten einen Affront gegen ihre Überzeugungen dar. Schließlich betreibt die AIA selbst seit Jahren eine Plattform für klimabewusstes Bauen, ein Ziel, das sich nur schwer mit von Klimawandelleugnern verwalteten Infrastrukturmilliarden verträgt.
Möglicherweise dürfte auch das angekratzte Image des Trump-Konzerns als Skepsis unter den Architekten gesät haben. Dessen Ruf als so zahlungsunwilliger wie aggressiver Auftraggeber wurde schon im Wahlkampf ausgeschlachtet, als Hillary Clinton im August 2016 die Geschichte des Architekten Andrew Tesoro präsentierte, der erzählte, wie er von Trump um sein Honorar für den Bau eines Golfklubs gebracht worden war. Dass Trump selbst fröhlich zugab, bei der Höhe und Stockwerkszahl seiner Towers gerne zu schummeln, schien dagegen wie eine vergleichsweise harmlose adoleszente Verlängerungsfantasie.
Seit dem Amtsantritt ist der Protest der Architekten keineswegs abgeflaut. Da ist zum einen die Sorge, die Trump-Administration könne das Budget der 1965 gegründeten staatlichen Stiftung National Endowment for the Arts auf null zusammenkürzen, mit der bisher Architekturwettbewerbe, Ausstellungen, Konferenzen und Nachbarschafts- und Kulturinitiativen gefördert wurden. Zum anderen wurden auch die Mahnungen, den Klimawandel nicht zu ignorieren, dringlicher. Mehr als 400 Architekten unterschrieben zum Amtsantritt einen offenen Brief. "Wir können die Herausforderung des Weltklimas in eine wirtschaftliche Chance verwandeln," heißt es darin in leicht verzweifelt angehauchtem Optimismus.
Unter den Mitunterzeichnern des Briefes fanden sich einige große Namen, etwa die Norweger Snøhetta, die auch Büros in den USA betreiben. Ein Zeichen, dass sich in den Protest immer mehr größere Namen einreihen, die sich so deutlich gegen die Macht stellen. Man sei "auf das Schlimmste vorbereitet," hieß es von Snøhetta, und Stararchitekt Daniel Libeskind ließ verlauten, die jüngst verhängte Einreisesperre sei ein Affront gegen die Grundwerte an sich, der auch sein Büro unmittelbar beträfe. Fast 100 Libeskind-Mitarbeiter seien am 21. Januar in Washington gegen Trump auf die Straße gegangen. Damit nicht genug: "Wir boykottieren aktiv Firmen, die die Politik der Trump-Administration unterstützen", so Libeskind. Steven Holl, einer der bekanntesten US-amerikanischen Architekten und Dauerkandidat für den Pritzkerpreis, bezog ebenso unmissverständlich Position: "Dieser Präsident, der wiederholt lügt, das menschliche Potenzial, Gutes zu tun, bekämpft und die Verfassung ignoriert, muss abgesetzt werden."
Doch Worte sind nicht das einzige Instrument des Protests. Schließlich lässt sich auch das ureigene Handwerkszeug dafür nutzen. Unter den Ersten, die sich mit plakativen Anti-Trump-Entwürfen meldeten, ist das Büro Estudio 3.14 aus dem mexikanischen Guadalajara. Diese reagierten auf die permanenten Diffamierungen gegen ihre Landsleute und die großspurigen Mauerbaupläne von Donald Trump, indem sie genau jene zum Anlass für eine umgedrehte Provokation nahmen. Ihr Entwurfsszenario "Prison Wall" stellt in bunten Collagen die 3145 Kilometer lange Grenze als massives, gut hundert Meter breites Bauwerk dar, das sich wie ein rosa Wurm durch die Landschaft fräst.
Rosa? Ja, genau. "Die Mauer soll ja beautiful sein", erklärte Norberto Miranda von Estudio 3.14 mit grimmigem Humor. "Also haben wir uns von den Bauten von Luis Barragán inspirieren lassen." Die farbenfrohen Mauern der Bauten von Barragán (1902-1988), wohl der berühmteste mexikanische Architekt, hatten fern jedes Ausschlussgedankens mit poetischer Offenheit zwischen dem Innen und dem Außen gespielt, doch gerade dieser Kontrast macht die polemisch-pinke Grenzmauer erst richtig dystopisch. "Sie ist außerdem mehr als eine Mauer und fungiert als riesiges Gefängnis, in dem elf Millionen Menschen ohne Papiere klassifiziert werden", so die Architekten. Das Wissen, wie man baut, gibt Architekten eben auch das Wissen, wie von anderen Erdachtes in gebauter Form aussehen könnte. So halten die Mexikaner Trump trotzig den rosa Spiegel entgegen. Eine Art, die Macht der Bilder für die sich selbst zu reklamieren.
Und dann gibt es immer noch die Architektur des anderen, optimistischen Amerika, ohne Zynismus und ohne Anbiederung, dafür mit den noch nicht getilgten Spuren des "Yes, we can!". Ein Beispiel dieses Bauens wurde vor kurzem zum "Architecture building of the year 2016" gewählt. Das Sharon Fieldhouse in der Kleinstadt Clifton Forge in Virginia ist alles, was Trump-Tower und Trump-Mauer nicht sind: leicht, grazil und offen, fein detailliert und dabei ganz ohne Gold.
Dabei ist das Gebäude im Grunde nur ein Treffpunkt für Jugendliche auf einer Wiese am Rande eines Baseballfelds. Entworfen wurde es vom design/buildLAB in Virginia, Marie und Keith Zawistowski, gemeinsam mit ihren Studenten, die auch beim Bau beteiligt waren. Ganz umweltbewusst wurden dafür lokale, dauerhafte und wiederverwertbare Materialien gewählt. "Wir sind überzeugt, dass die Verantwortung für die Umwelt keine Ästhetik und kein Luxus sind, sondern ein Grundwert guter Architektur, "so die Architekten. Der amerikanische Traum ist also noch nicht ganz zum Albtraum geworden.