Das neue Schaudepot soll, anders als seine Nachbarn auf dem VitraCampus, keine Ikone sein. Wie plant man ein nicht-ikonisches Gebäude?
Pierre de Meuron:
Es war von Anfang an die Herausforderung, sich zurückzuhalten. Rolf Fehlbaum von Vitra wollte zuerst etwas ganz Unsichtbares. Er wollte im Grunde gar keine Architektur. Wir haben dann unterirdische und anonyme Lösungen durchdekliniert, und haben herausgefunden: Keine Architektur, das geht nicht. Man setzt immer ein Statement. Die Frage ist eben, welches das ist. Die rechteckige Form mit dem Satteldach war für uns die richtige Antwort auf diese Frage.
Ist diese archaische Form des "Ur-Hauses" nicht selbst ein ikonisches Zeichen?
de Meuron:
Es geht einfach um grundsätzliche Fragen der Architektur: Ein Haus, ein Dach, ein Boden. Es soll aussehen, als ob es schon immer da gewesen sei.
Durch den erhöhten Vorplatz und die hohe Tür in der Mitte wirkt das Schaudepot geradezu sakral. Soll die Architektur die Exponate mit Bedeutung aufladen?
de Meuron:
Nein, das hat ganz pragmatische Gründe. Wir haben das Depot von außen nach innen, aber auch von innen nach außen entwickelt: Wie wird der Raum betreten und wie wird er benutzt? Die symmetrische Anordnung war die, die am meisten Sinn ergab. Im Inneren ein Mittelgang, rechts und links die Regale, so funktioniert eigentlich jedes Lagerhaus. Wir haben auch mit Fenstern experimentiert, wollten aber, dass der Besucher sich auf die Objekte konzentriert.
Dafür gibt es die Blickbeziehungen zum Depot im Keller, das man aber nicht in seinem gesamten Ausmaß erahnt.
de Meuron:
Man kann nicht alles öffentlich zugänglich machen. Aber es ist spannend, diese beiden Welten zu haben. In der einen ist man drin, in die andere kann man nur einen kurzen Blick werfen. Ich finde es gut, dass es etwas zu entdecken gibt und man nicht alles auf den ersten Blick erfasst. Man sieht zuerst das Einzelobjekt und dann die Sammlung, in der die Stühle ganz uninszeniert in Regale geschlichtet sind.
Wie kam es zur Wahl des gebrochenen Ziegels als Fassadenmaterial?
de Meuron:
Das kommt zuerst aus dem Altbau daneben, aber auch die Bauten von Alvaro Siza und Nicholas Grimshaw haben mit Ziegeln gearbeitet. Die Feuerwache von Zaha Hadid mit ihrem Sichtbeton kann sich im Kontrast zu dieser "Backstein-Familie" als expressives Einzelstück entfalten. Vorher stand das Hadid-Gebäude am Rande, es hatte nicht die Aura, die ihm zustand. Jetzt ist es besser integriert. Das ist die Sache mit dem Ikonischen: Das gelingt mit Architektur nicht, indem man ein Objekt einfach so auf den Tisch stellt (positioniert eine Kaffeetasse auf dem Tisch), sondern indem die Objekte daneben qualitativ besser werden. Dann haben wir etwas erreicht.
Ihre jüngsten Bauten in London, Basel oder eben das Schaudepot sind geradezu archaisch massiv, mit einer deutlichen Trennung von Innen und Außen. Ist das rein funktional begründet oder eine neue Herangehensweise bei Herzog und de Meuron?
de Meuron:
Wenn etwas bei uns gleich bleibt, ist es die Herangehensweise! Und die heißt, eine Bauaufgabe wirklich zu begreifen. Beim Schaudepot heißt das, die Sammlung zu zeigen. Wir haben ausstellungstechnische Komponenten, architektonische Komponenten und städtebauliche Komponenten. Museografie ist Städtebau, Städtebau ist Architektur, und Architektur ist szenografisch. Das ist nicht voneinander zu trennen.