Wenn Städte grüner sprießen

Zwischen Graswurzelinitiativen und Green Cities vom Reißbrett geht es in Asiens Städten in vielen Schritten vorwärts Richtung grüne Zukunft

Die in schöner Regelmäßigkeit in der westlichen Welt veröffentlichten Reportagen aus von Smog erfüllten Straßen in Peking und Delhi vermitteln ein bedauerlich einseitiges Bild von Fernost in Sachen Umwelt. Ganz klar: Die Geschwindigkeit, in der sich diese Städte und ihre Industrien in den letzten Jahren entwickelt haben, belastet die natürlichen Ressourcen wie Luft und Wasser enorm. Falsch ist es jedoch anzunehmen, dies wäre den Verantwortlichen und der Bevölkerung vor Ort nicht bewusst. Im Gegenteil: Die ambitioniertesten Ziele in Sachen Green Cities steckt man sich nicht in Mitteleuropa, sondern just dort, wo schon die kleinste Verbesserung große Wirkungen zeitigt: in den dynamischen Metropolen zwischen Pakistan und Japan.

Umweltsünder und Umweltschützer

So ist das viel geschmähte China in der Tat der Erzeuger der meisten Treibhausgase und der größte Energieverbraucher der Welt. Andererseits hat es beispielsweise Schanghai geschafft, sein Metronetz seit 1995 von null auf 440 Kilometer Länge auszubauen, und investiert seit einigen Jahren massiv in erneuerbare Energie aus Windparks. Guangzhou besitzt mit dem 71-stöckigen Pearl River Tower seit 2009 einen der energieeffizientesten Wolkenkratzer der Welt. Und Hongkong, seit jeher von Platznot geplagt, erhebt seit 2009 Steuern, um die acht Milliarden Plastiksackerln, die jährlich auf seinen Müllhalden landen, zu reduzieren.

Fortschritte dieser Art gibt es aus so gut wie jedem Land zu berichten: Osaka in Japan fördert die Solarenergie, Bangkok in Thailand den Biosprit. Mumbai in Indien will seine Kohlendioxidemissionen um 13 Millionen Tonnen reduzieren, und Hanoi in Vietnam will bis 2050 eine "grüne, zivilisierte und moderne Stadt" werden, bis zu 70 Prozent seiner Fläche sollen dafür Bäumen und Wasser vorbehalten werden.

Größtes privates Immobilienprojekt weltweit wird Smart City

Wohlhabendere Städte in stabileren Staaten wie Japan, Südkorea und Singapur sind hier schon weiter als Städte wie etwa Kalkutta und Karatschi, die noch an fundamentalen Problemen wie dem Fehlen funktionierender öffentlicher Verkehrsmittel laborieren. Die großen Würfe, komplett neue Green Cities vom Reißbrett, passieren daher auch in finanzstarken Ländern. So entsteht mit dem "Songdo International Business District" 60 Kilometer von Seoul entfernt das größte private Immobilienprojekt der Welt als Smart City. Auf Land, das dem Meer abgerungen wurde, stehen schon die ersten der 80.000 Wohnungen und die ersten Businessparks. Auch an grünem Ehrgeiz fehlt es nicht: 32 Prozent der Grundfläche sind für Parks reserviert, und die junge Stadt bewirbt sich als Standort für das Hauptquartier des Green Climate Fund der Uno.

Einige Breitengrade weiter nördlich, an einer Flussmündung in einer der bisher verschmutztesten Gegenden Chinas, wird momentan eine noch größere Stadt erbaut: Die Tianjin Eco City mit einer geplanten Einwohnerzahl von 350.000 entsteht als Kooperation von China und Singapur. Das selbstverfasste Rezept für die Grüne Stadt umfasst sowohl Klimaschutzziele wie weitgehend autofreien Verkehr und erneuerbare Energien, als auch einen 20-prozentigen Anteil an geförderten Sozialwohnungen, um kein Ghetto für Reiche am Gelben Meer entstehen zu lassen. Die ersten 60 Familien zogen im Mai 2013, fünf Jahre nach dem ersten Spatenstich, ein.

Um die enormen Bedürfnisse der rasant wachsenden Städte zu befriedigen, fördern Geldgeber wie die Asian Development Bank intelligente Projekte, die das urbane Ökosystem stabilisieren, die Lebensqualität in Slums verbessern und die Grundversorgung garantieren. Die Stadtplanerin Amy Leung erklärt, worauf es ankommt, wenn man Asiens Städte zu Green Cities machen will.

STANDARD: Was möchte die Asian Development Bank mit ihrer Green-City-Initiative erreichen?

Amy Leung: Wir wollen die Städte in Südostasien lebenswerter machen, indem wir deren Infrastruktur verbessern, effektives Ressourcenmanagement betreiben und die Selbsterhaltungskräfte stärken, was das Klima betrifft. Wir nennen das "Climate Resilience". Das Ziel dabei ist, angesichts des zunehmend unberechenbaren Klimawandels mit immer mehr extremen Wetterzuständen wie Flutkatastrophen durch rechtzeitige Planung zu verhindern, dass hohe Schäden entstehen.

Was sind die größten Hindernisse für Städte in Südostasien auf dem Weg zu Green Cities?

Der wesentliche Punkt sind fähige Institutionen und Urban Governance. Das heißt, die Beteiligten - Verwaltung, Institutionen, NGOs - tun sich zusammen, um die Stadt zu managen. Das ist ein interaktiver Prozess, für den es enorm wichtig ist, dass zwischen Institutionen und Bürgern Transparenz herrscht - es geht also vor allem um Lernprozesse. Städte sind immer noch vor allem von nationalen Finanzbudgets abhängig. Das begrenzt ihre Fähigkeit, Investmententscheidungen selbstständig zu treffen und aktiv zu werden.

Welche Städte in Südostasien haben schon Fortschritte gemacht, was nachhaltige Planung betrifft?

Weit entwickelte Städte wie Singapur haben ein funktionierendes System nachhaltiger Planung, von dem andere Städte in der Region lernen können. Wir haben gerade mit unserer Arbeit an der Green Cities Initiative in Vietnam begonnen. Eines unserer Projekte ist das "Secondary City Project". Hier geht es um schnell wachsende Städte mit einer Größe von 90.000 bis 350.000 Einwohnern, das heißt mittelgroße, aber dafür wirtschaftlich sehr dynamische Provinzmetropolen. Ein weiteres Projekt ist das "Regional Capacity Development", das zusammen mit den Stadtverwaltungen ökologische Wachstumsstrategien entwickelt - momentan tun wir das in den Städten Hue und Vinh Yen in Vietnam, ähnliche Projekte werden demnächst in Indonesien, Myanmar, Malaysia und den Philippinen starten.

Städte sind Motoren des wirtschaftlichen Wachstums und verbrauchen gleichzeitig enorme Ressourcen. Wie kann hier der Ausgleich gelingen?

Die Green Cities Initiative versucht, die Lücke zwischen Stadtplanung und Umweltmanagement zu überbrücken. Das ist der einzige Weg, wie wir sowohl grüne als auch wettbewerbsfähige Städte entstehen lassen können.

Wie sinnvoll sind Hightech-Ansätze beim Bau von völlig neuen Städten? Sind Songdo in Südkorea oder Tianjin in China gute Vorbilder?

Das sind gute Beispiele, aber manche, wie zum Beispiel Masdar in Abu Dhabi, sind sehr kapitalintensiv, während andere aufwändig auf ganz neuem Grund und Boden errichtet werden. Die meisten unserer Städte sind schon gebaut und dicht bevölkert. Wichtiger ist es also, diese bestehenden Städte nachzurüsten und dabei kostengünstig zu bleiben und wenig CO2 zu verbrauchen. Das kann heißen, dass man auf alte, traditionelle und technologisch einfache Methoden zurückgreift. Da gibt es kein Universalrezept. Jede Stadt wird ihren eigenen Wettbewerbsvorteil ausnutzen müssen, um ihre eigenen grünen Lösungen zu finden.

Gibt es weniger aufwändige Herangehensweisen, um Städte grün und nachhaltig umzumodeln?

Ja, die Technologien können ganz traditionell sein, wie zum Beispiel Tropffilter für Schmutzwasseraufbereitung, wie sie seit gut einem Jahrhundert verwendet werden. Deswegen gehen wir immer in der jeweiligen Region auf die Suche nach solchen etablierten, gut funktionierenden Methoden.

Wird der Zugang zu Trinkwasser in der Zukunft der Hauptstreitpunkt zwischen Städten und Staaten sein? Wie lassen sich hier Konflikte vermeiden?

Wasser war schon seit Jahrhunderten der Zankapfel und wird das auch bleiben, es sei denn, wir schaffen es, das Wasser fair zu verteilen und zwischen dem Schutz der Quellen und dem Verbrauch einen Ausgleich zu schaffen.

Küstenstädte in Südostasien wie Bangkok sind zunehmend von Überflutung bedroht. Welche Bemühungen sind notwendig, um zukünftige Naturkatastrophen zu verhindern?

Im Rahmen der Green Cities Initiative untersuchen wir den Umgang mit Wasserressourcen und versuchen dabei, Eigenschaften wie Abflussverhalten, Versickerung, Wasserverschmutzung als Ganzes zu sehen. Ebenso suchen wir Lösungen für die Abwehr von Sturmfluten und beschäftigen uns damit, wie man traditionelle Mechanismen verbessern kann, die die Menschen vor Ort schon entwickelt haben, um mit dem Wasser zu leben.

 

Amy Leung ist Director for Urban Development and Water Division bei der Asian Development Bank und startete dort im Oktober 2012 die "Green Cities Initiative", die sich um die Förderung grüner Infrastruktur in den Städten Südostasiens bemüht.

Erschienen in: 
Der Standard, 22.8.2013