Montforthaus Feldkirch: Das Runde muss ins Eckige

Vorarlberg ist speziell. Anders als die übrigen Bundesländer - Niederösterreich ausgenommen - kann es mit keiner alles dominierenden, Bürger, Business und Budgets aufsaugenden Hauptstadt aufwarten. Im produktiven Siedlungsteppich der Rheinebene teilen sich die mehr oder weniger gleich großen Kleinstädte Bregenz, Dornbirn und Feldkirch in einträchtiger Rivalität das Ländle-Profil auf: Dornbirn steht als Tor zum Bregenzerwald für das innovative Vorarlberg, die Landeshauptstadt Bregenz für Administration und offizielle Landeskultur mit Kunsthaus und Vorarlberg-Museum. Das südliche Feldkirch schließlich hat sich in den letzten Jahren mit der Designmesse Art&Design und dem Poolbar-Festival als Fokus des jungen, gegenwärtigen Lebens profiliert.

Ambition und Ameisenhaufen

Wie die Ambitionen, so die Stadtgestalt: Bregenz mit seiner topografisch zerrupften Altstadt, das mit repräsentativer Uferfront die Fühler zum Bodensee ausstreckt, aber noch nicht ganz angekommen ist. Dornbirn als geschäftig wuselnder, mit seinen Nachbarorten längst zusammengewachsener Ameisenhaufen. Das robuste Feldkirch theatralisch zwischen felsige Berge geklemmt, mit voralpin-wildromantischen und verkehrstechnisch problematischen Engstellen.

Genau an einer solchen, dort, wo Fernstraße und Ill nebeneinander in die Stadt einströmen, markiert seit den 1970er-Jahren ein ganz unfelsiger Berg den Eingang zur Stadt: der Illpark, ein massiger Komplex aus Hotel, Wohnungen und Einkaufszentrum, in das, wie für die damalige Zeit typisch, die Läden in ein von lichtlosen verwinkelten Passagen durchlöchertes Riesengebirge hineingestopft wurden, eine architektonische Orgie von 45-Grad-Winkeln.

Rundgeschliffener Flusskiesel

Direkt daneben befand sich bis vor wenigen Jahren das alte Kulturzentrum Montforthaus, auch ein Kind der 1970er, ein schwerfälliger Kasten in zeittypischen Brauntönen. Anfang des neuen Jahrtausends erwies sich das Haus als bautechnisch nicht mehr zeitgemäß. 2008 wurde ein Wettbewerb für den Neubau ausgeschrieben, bei dem die meisten Architekten in vorauseilender Vorarlberghaftigkeit ihren Bau als kantige Kiste in die Altstadt setzten - mit dem Nachteil, dass der geforderte Konzert- und Veranstaltungssaal zwangsläufig einem der drei angrenzenden Plätze den unschönen Rücken zuwandte.

Anders die Wettbewerbssieger: Hascher & Jehle (Berlin) und Mitiska Wäger (Bludenz) lieferten einen Entwurf, der erstaunlicherweise weder Züge der preußisch-steinernen, oft in banaler Lochfassadentristesse versackenden Berliner-Republik-Architektur noch der bautechnisch cleveren Einfachheit Vorarlberger Kisten trägt. Stattdessen stellten sie einen steinernen Blob wie einen rundgeschliffenen Flusskiesel zwischen die drei Stadtplätze und drehten den Saal im Inneren so aus der Achse, dass zu allen drei Seiten eine Eingangsfront entstand. So wie Peter Cook 2003 sein Kunsthaus in die Grazer Dachlandschaft einpasste wie ein angelutschtes Bonbon in eine Pralinenschachtel, ist auch das neue Montforthaus wie ein Puzzlestück in das jahrhundertealte Feldkircher Altstadtlabyrinth eingefügt, und das ganz ohne bautechnisch ungelenken Glasamöbenfuturismus.

Ländle-Guggenheim als "Open House"

Von der Passgenauigkeit kann man sich jetzt überzeugen, vom 2. bis 6. Jänner wird das neue Montforthaus (Baukosten 44 Millionen Euro) mit einem Reigen von Konzerten und Partys nach zweieinhalb Jahren Bauzeit eröffnet. Es ist ein Haus der großzügigen Gesten: Die geschwungene Fassade aus weißem Jurakalk ist in der Mitte über die gesamte Front entlang Rössleplatz, Leonhardsplatz und Gymnasiumhof aufgeschnitten wie eine edle Tunfischdose, dahinter ist die holzgetäfelte Außenhaut des Saals erkennbar, der als eigener Klangkörper das Herzstück bildet. Geradezu verschwenderisch barock mutet das Eingangsfoyer an: Es nimmt ein gutes Viertel der Grundfläche ein, sein riesiger Luftraum umschwungen von den sahnig-weißen Brüstungen der Stiegenläufe und Galerien, ein wahres Ländle-Guggenheim-Museum, durch das verglaste Dach hell illuminiert.

"Das Foyer soll natürlich selbst für Veranstaltungen dienen", sagt Edgar Eller, der stolze Geschäftsführer. Als städtisches Haus wird der Bau hier aber auch einen Infopoint für den Feldkirch-Tourismus und das Vorarlberg-Ticketing aufnehmen. "Ein Kongresshaus ist normalerweise geschlossen, wenn keine Veranstaltungen stattfinden", erklärt Eller. "Das soll hier anders sein - das Montforthaus versteht sich als Open House, das im Ort verankert ist."

Zwischentöne in Birnenholz

Ein Haus, das alle Stücke spielen soll, eine so verlockende wie komplexe Aufgabe für Architekten: Konzerte und Kongresse haben völlig verschiedene Anforderungen an die Raumakustik, noch dazu sollten vom 1066 Besucher fassenden Saal auch noch mehrere Seminarräume abtrennbar sein, die Bühne benötigt mal einen Orchestergraben, mal nicht, der Saalboden muss eben sein, auch wenn konzertante Events eine Neigung zur Bühne bevorzugen.

Nun ist dies keine seltene Aufgabe, manche Architekten lösen sie mit einem Kraftakt an maschineller Hightech-Mechanik, in Feldkirch jedoch merkt man dem Saal den programmatischen Overload kaum an: Komplett mit heimeligem Birnenholz verkleidet, ist er von ausgewogener, höhlenartiger Geschlossenheit, wie das Foyer eingefasst in geschwungene Formen. Und der Orchestergraben? Der fährt als diskret getarnter Aufzug durchs Gebäude.

Dass all diese Stücke hier auch wirklich gespielt werden, zeichnet sich schon ab. Der Saal ist schon weit ins Jahr 2015 ausgebucht, das Programm reicht von den extra fürs Haus konzipierten Montforter Zwischentönen, die klassische Musik mit Dialogformaten verbinden, über das Musical Sissi bis zum Vortrag Mehr Lust: Meine sinnliche, erotische Lust beleben der Vorarlberger Frauenservicestelle FEMAIL.

Sinnlicher Schwung und neue Plätze

Der zwar weniger erotische, aber garantiert sinnliche Schwung der Architektur gipfelt am Ende der Guggenheimspirale über dem Saal in Dachrestaurant und Dachterrasse. Von hier lässt sich nachprüfen, ob das Einfügen des steinernen Blobs ins Feldkircher Stadtgefüge gelungen ist. Man konstatiert: Eine solch kommunikative Nettigkeit zu all ihren Nachbarn hätte eine rechtwinklige Kiste sicher nicht aufgeboten.

Die Hinterhöfe der Wohnhäuser, die vom alten Montforthaus noch uneinsehbar zugestellt waren, sind zu kleinen, intimen Plätzen geworden, veredelt durch die Reste der 800 Jahre alten Stadtmauer. Der Rössleplatz am Eingang zur Altstadt mündet nun direkt ins gläserne Foyer, anstatt an einer grimmigen braunen Seventies-Wand zu zerschellen. Und selbst zum tausendfach verwinkelten Illpark-Gebirge nebenan schickt das architektonische Passstück Montforthaus ein freundliches "Passt schon!" hinüber.

Erschienen in: 
Der Standard, 3./4.1.2015