Das junge Designduo mischer’traxler erforscht das gestalterische Talent der Natur.
Ein präzise geschweißtes, mannshohes Stahlgerüst. Darin fein austariert aufgehängt, wickeln Spulen dünne Fäden ab, die durch erst in dunkelgrüne Farbe, dann durch Leim getaucht werden, und sich schließlich in changierenden Farbschlieren um einen permanent drehenden Zylinder wickeln. Strahlt die Sonne heller, dreht sich der Zylinder schneller, der Fadenwulst beult aus und wird heller. Das alles obendrein völlig lautlos, da durch Solarzellen angetrieben. Die Besucher der Ars Electronica in Linz verharren staunend vor diesem mysteriösen, und gleichzeitig offensichtlichen Mechanismus, der ein wenig an Versuchsaufbauten im Physikunterricht erinnert.
Erst auf den zweiten Blick fallen ihnen der elegante Lampenschirm und die schlichte, schöne Sitzbank auf, die daneben drapiert sind. Und erst auf den dritten Blick entpuppen sich die Möbel als Resultat der Maschine. „The Idea Of A Tree“ heißt dieses Projekt des jungen Designduos mischer’traxler. Das Konzept hatte schon auf dem International Design Festival in Berlin für Begeisterung und in den Designblogs für reichlich Raunen gesorgt, in Linz gab es dafür einen Anerkennungspreis.
Die Idee ist so einfach wie genial: Die Maschine „Recorder One“, im Freien aufgestellt, produziert stromlos und autark ein Objekt pro Tag, das als Resultat von Sonneneinstrahlung und Intensität - genau wie ein Baum - ein diagrammartiges Abbild seiner Umgebung ist. Im Sommer heller, dicker und langgestreckt, im Winter stämmig und dunkel, ist jedes Stück ein Unikat.
Die Natur als Mit-Entwerferin einzuspannen ist eine Taktik, die sich wie ein Leimfaden durch das Werk von Katharina Mischer und Thomas Traxler zieht. Was aber wirklich purer Zufall ist, wie die beiden beteuern. „Die Natur kommt bei uns immer von alleine ins Spiel, das ist nicht geplant. Unser Ziel ist, Objekte zu schaffen, die in sich selbst Informationen über ihre Umgebung speichern, und Maschinen zu entwickeln, die nicht von ihrer Umwelt entkoppelt, sondern Teil von ihr sind.“
Ein weiteres Projekt, das Möbelstücke als trojanische Pferde für handfeste Informationen benutzt, ist die Reihe „RealLimited“, die die abgehangene Gewinnmaximierungsmasche der limitierten Auflage vom Kopf auf die Beine, genauer gesagt Pfoten, stellt. Bei „RealLimited“ korrespondiert die Anzahl der hergestellten Exemplare mit der Zahl einer vom Aussterben bedrohten Tier- oder Pflanzenart. Der Erlös aus dem Verkauf kommt wiederum dem Erhalt dieser Art zugute. Erst wenn der Bestand wieder wächst, können neue Stücke produziert werden – wie ein Holzregal in Moder-Optik, das mit nummerierten Abgüssen einer auf der Roten Liste stehenden Pilzart bestückt wurde. „Normalerweise macht man Limited Editions, indem man drei Sessel herstellt und dann einfach aufhört. Das war uns zu wenig. Wir wollten die Limitierung der Natur an die Limitierung des Objekts koppeln.“
Auch wenn die Endresultate fast schon industriell präzise wirken, steckt dahinter doch eine gute Portion Bastelarbeit. „Wenn die Grundidee einmal steht, wird es sehr schnell handwerklich“, erklärt Thomas Traxler. „Wir bauen immer Prototypen.“ Die Funktionsweise von „Recorder One“ zum Beispiel wurde zuerst experimentell mit Druckerpatronen, Joghurtbechern und einer Bohrmaschine ausgelotet. Geprägt wurden die beiden vor allem durch die freie, spartenübergreifende Herangehensweise des holländischen Designs während des Studiums an der Design Academy Eindhoven. Im Jänner dieses Jahres kehrten sie zurück nach Österreich und destillieren in ihrer Floridsdorfer Wohn-Werkstatt, fern von innerbezirklichen Ablenkungen, Ideen in greif- und benutzbare Objekte. „Das Niveau in den Niederlanden ist zwar sehr hoch, aber die Designer-Netzwerke sind eben schon sehr etabliert. Wir hatten das Gefühl, dass zur Zeit in Wien etwas Neues entsteht und wollten lieber Teil dieses Anfangs sein, als uns woanders ins gemachte Nest zu setzen.“
Und es wird weiter gebaut: Zur Zeit stapeln sich dunkel gebeizte Holzkisten zwischen Bett, Schreibtisch und Küchentisch, und auch die Natur entwirft weiter mit: am Fenster klettert ein junger Setzling aus einem Samen empor. Noch scheinen diese Dinge nichts miteinander zu tun zu haben, und doch sind beide Teil des Beitrags zur Reihe „Passionswege“ der Vienna Design Week, die mischer’traxler mit den noblen Gold- und Silberschmieden Rozet&Fischmeister am Kohlmarkt zusammengebracht hat. Eine für beide Seiten bereichernde Kooperation, wie das Designerduo berichtet. Auch hier wurde nicht einfach vorgefundene Silberware abgekupfert, sondern den Beruf des Goldschmieds an sich erkundet und beleuchtet. „Als wir uns dann das erste Mal mit Schmuck beschäftigt haben, haben wir gemerkt, dass da nicht ein einzelner Goldschmied im Hinterzimmer monatelang an einem Ring feilt, sondern dass da ein richtiges Netzwerk an Kunsthandwerkern hinter so einem wunderbaren Schmuckstück steht. Das war uns vorher nicht bewusst. Und das wurde dann zur Grundlage unserer Idee.“
Zu was sich diese Idee ausgewachsen hat, und welche Rolle der kleine sprießende Setzling darin spielt, kann am 6.Oktober am Kohlmarkt bestaunt werden. Die Baummaschine segelt währenddessen schon um die Welt, um auf der Tokyo Design Week präsentiert zu werden. Und in der Floridsdorfer Werkstatt keimen schon die nächsten Ideen heran.
(Erschienen in FALTER 40/2009)