Die Angewandte wurde endlich saniert und erweitert. Künstlerischen Freigeist atmet jedoch nur einer der beiden Bauten
Eine Mikrowelle, ein Fahrrad, eine Kaffeemaschine. In Luftpolsterfolie verpackte Keilrahmen, Öl auf Leinwand. Holzlatten, Arbeitsschränke, Arbeitstische, Zettel mit Tixo an rauem Beton. Mittendrin ein zerknautschtes schwarzes Sofa. Kein Zweifel: Wer in diesen Räumen arbeitet, hat sich ein atmosphärisch ideales Umfeld eingerichtet. Wach, improvisiert, in Bewegung, ruppig, frech.
200 Meter Luftlinie entfernt: saubere weiße Wände, saubere weiße Holztür, sauberer Türgriff aus Messing, blitzblanker Parkettboden. Im Eck, vor dem Fenster, ein zerknautschtes weißes Sofa. Es wirkt etwas fehl am Platz in dieser disziplinierten Aufgeräumtheit. Ruppig ist hier nichts.
Zwei Sofas, zwei Gebäude, dazwischen der Wienfluss – und doch gehören beide zum selben Haus, der Universität für angewandte Kunst, die jetzt ihre neuen und alten Räumlichkeiten bezogen hat. Beim Festakt vorige Woche blieb auch die Vorgeschichte dieser Eröffnung nicht unerwähnt, als Rektor Gerald Bast in seiner Rede retrospektiv einen wahren Briefroman zwischen Hochschule und Politik entfaltete. Die Historie in Kürze: Dass die Angewandte an räumlicher Atemnot litt, war nichts Neues. Die letzte Erweiterung des ehrwürdigen Heinrich-Ferstel-Baus an der Ringstraße stellten Karl Schwanzer und Eugen Wörle 1960-1965 ans Ufer des Wienflusses, ein sachliches Raster aus Stahlbeton und Ziegeln, dessen industrielle Werkstatthaftigkeit durchaus ein Affront gegen den Innere-Stadt-Historismus war. Die hellen Atelierräume erwiesen sich als perfekt geeignet für die rund 500 Studierenden.
Inzwischen ist diese Zahl fast auf das Vierfache gestiegen, und schon 2001 ergab eine Studie des Wirtschaftsministeriums einen zusätzlichen Raumbedarf von 13.773 Quadratmetern binnen fünf Jahren. 13.800 neue Quadratmeter hat man jetzt, 17 Jahre später, bekommen. Klingt nach einer sauberen Rechnung. Doch bis zum Abschluss dieser Rechnung war es ein holpriger und schlammiger Weg. Denn nach der ersten Studie passierte vorerst: nichts. Erst 2011 wurde ein Wettbewerb für einen Erweiterungsbau aus gelobt, der in den engen Hof zwischen Ferstel und Schwanzer gezwängt werden musste. Wettbewerbssieger Wolfgang Tschapeller sah einen transparenten Zubau mit gläsernen Raumblasen vor, die an die heiteren Visionen der späten 1960er gemahnten. Funktionell konnte damals keiner der Wettbewerbsbeiträge überzeugen. Dass die Umsetzung dieser Erweiterung finanziell und politisch schwierig sein würde, zeichnete sich damals schon ab. Ein Brief des Finanzministeriums Anfang 2014 beerdigte das Projekt endgültig.
Es folgte ein hektisches Hin und Her, es wurde über das kulturelle Selbstverständnis Österreichs debattiert, bis sich im März 2014 eine Lücke auftat, als die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) der Angewandten das ehemalige Zollamtsgebäude am Wienfluss anbot. Man ließ sich nicht zweimal bitten. Es folgte ein zweiter Wettbewerb, es wurden Ausweichquartiere gefunden – dann kam die Weltgeschichte, im Herbst 2015 mussten Quartiere für Geflüchtete gefunden werden, die Angewandte und die BIG boten kurzfristig das leerstehende Zollamtsgebäude an. Bis zu 1800 Personen fanden hier befristet ein Dach über dem Kopf. Studierende und Personal halfen tatkräftig mit. "Solidarität und soziale Intelligenz sind besser als eine Politik der Angst," erinnerte sich Bast an diese aufregende Zeit.
Heute ist von dieser langen Geschichte nichts mehr zu sehen, denn beide denkmalgeschützten Bauten wurden um insgesamt 66 Millionen Euro von den Wettbewerbssiegern Riepl Kaufmann Bammer Architekten grundlegend um- und aufgeräumt. Mit unterschiedlichem Ergebnis. Der Schwanzer-Wörle-Trakt wurde bis auf die Tragstruktur entkernt. Der Zugang zu den Stiegenhäusern wurde verbessert, die über die Jahre verschüttete organisatorische Klarheit des Gebäudes wiederhergestellt. Auch die bisher hinter Gipskarton und abgehängten Decken versteckten Stahlbetonstützen und Rippendecken wurden von den Architekten freigelegt. "Die Decken waren allerdings in weniger gutem Zustand, als sie es am Anfang zu sein schienen", erinnert sich Daniel Bammer. "Das hat noch einiges an Aufwand bei der Sanierung bedeutet."
Es hat sich gelohnt, denn die für Karl Schwanzer typische Reduktion aufs Minimum kommt in den fast zart-fragilen Betonrippen spürbar zur Geltung. Nicht zuletzt, weil die Architekten den Bau nach der Entkernung nicht wieder vollgeräumt haben. Die Einbauten aus Stahl und Glas, in denen Ateliers und Büros untergebracht sind, lassen genug Raum zum Atmen. "Wir wollten lange Korridore unbedingt vermeiden", sagt Daniel Bammer. Die raue Werkstatt-Atmosphäre kommt so noch deutlicher zur Geltung. Es ist ein robustes Gebäude, das einiges aushalten kann – genau richtig für eine Kunstschule. Es bleibt genug Platz für Arbeitsutensilien, Mikrowelle und zerknautschte Sofas. Man möchte hier sofort zu Pinsel oder Zeichenstift greifen und loslegen.
Der Bauteil in der Vorderen Zollamtsstraße tritt hingegen auf die Bremse. Dabei ist die Grundidee keine schlechte. Zwei der drei engen Höfe wurden zu einem hellen Atrium zusammengelegt, in den dritten ein Veranstaltungssaal eingeschoben, auf dessen Dach eine Terrasse Platz findet. Dazwischen beidseitig verglaste, flexibel nutzbare "Fluxräume" und die Bibliothek als neue Einbauten. Von den umlaufenden Gängen bieten sich Blicke in den "inneren Campus", wie Peter Rippl das Atrium bezeichnet. "Wir haben die Gänge so breit angelegt, dass sie Aufenthaltsqualität haben und die Studierenden sie benutzen können." Eine sinnvolle Idee, doch damit dies wirklich passiert, wird es mehr Aneignungsenergie brauchen, vielleicht auch mehr farbige Rebellion gegenüber verputzten Wänden und glatten Oberflächen. Denn der innere Campus ist in seiner Umsetzung zwar sehr sorgfältig, ordentlich und hell, könnte in seiner Neutralität jedoch ebenso gut als Versicherung oder Ministerium durchgehen. Hinter den weißen Türen mögen sich aufregende Experimente in Grafik, Fotografie und kritischem Denken ereignen, doch nichts davon dringt nach außen. Schon ein altes Sofa wirkt in dieser Stehempfangsatmosphäre fehl am Platz.
Dies bedeutet nicht, dass die Zurückhaltung in der Architektur an sich ein Fehler wäre. Ein Hochschulgebäude, erst recht eines, in dem es um Kunst und Gestaltung geht, muss den Studierenden nicht die eigene Originalität vortanzen. Es soll sie in Ruhe lassen und ihnen Raum geben. Man kann Strukturen verputzen und verkleiden, oder man kann Verkleidungen entfernen und das Dahinterliegende sichtbar machen. Eines davon entspricht der Angewandten, das andere nicht.