Forschende Finger im Farbtopf

Am Rande der Stadt die Wissenschaft: Der Science Park auf dem Campus der Uni Linz ist nahezu fertig. Eine Ortsbeschau

Als präsent im Stadtbild kann man sie nicht gerade bezeichnen: Die Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) versteckt sich am äußersten nordöstlichen Zipfel der Landeshauptstadt, dort, wo sich diese schon fast ganz ins Ländlich-Mühlviertlerische verabschiedet. Die Bauten der Hochschule mit ihren rechtwinkligen, ins reichliche Grün verteilten rationalen Kuben bezeugen deutlich die Zeit der Universitätsgründung Mitte der 60er-Jahre.

Doch wenn man schon nicht in Linz sichtbar ist, will man es auf der internationalen Bühne der Forschung sehr wohl sein. Um den Schwerpunkt dabei von den Geistes- in Richtung Naturwissenschaften zu verlagern, die zum Teil im Stadtgebiet verstreuten Institute zu bündeln und nach amerikanischem Vorbild ein Nebeneinander von Forschung, Start-ups und Kooperationspartner in der Wirtschaft zu schaffen, beschloss man eine Erweiterung des Campus.

Scharf gekantet, stumpf geknickt

2005 wurde ein internationaler Wettbewerb für die Errichtung des passend getauften Science Park ausgeschrieben, den das Architektentrio Günter Katherl, Martin Haller und Ulrich Aspetsberger vom freundlich betitelten Wiener Büro Caramel gewann. Es ist das bisher größte Projekt des Büros.

Ihre Idee: Wie die Finger einer Hand ragen die fünf Forschungsriegel aus dem grasigen Hang Richtung Stadt, nicht streng orthogonal wie ihre älteren Campusnachbarn, sondern scharf gekantet und stumpf geknickt. Keine Megastruktur, sondern genug Zwischenräume sowohl für die bergige Frischluftzufuhr in Richtung der benachbarten Wohnsiedlung als auch für zielstrebige, mit komplex gefüllten Denkblasen über dem Kopf forschungswärts eilende Studenten.

"Ich denke, wir haben ein paar Aufgabenstellungen richtig beantwortet und deswegen gewonnen", sagt Caramel-Architekt Ulrich Aspetsberger bescheiden. "Wir haben uns der Lage am Übergang von Stadt zu Land gestellt." Aspetsberger kann zufrieden sein, denn die kanalisierte Landluft weht schon zwischen den Forschungsfingern hindurch.

Landluft und Leitsysteme

Denn mit der Eröffnung des dritten Bauteils im Herbst 2012 ist der Science Park nahezu komplett. Mit den drei langen mittleren Fingern lässt sich das Campusganze schon begreifen. Der vorderste, 160 Meter scharfkantig in die Luft stoßende Bau für die Mechatroniker ist Ende 2009 fertig geworden, der mittlere, der die Institute für Kunststofftechnik, Mathematik und Statistik und diverse Drittmittelinstitute beherbergt, zwei Jahre später. Das jüngste Gebäude ist die Heimat für Informatiker und Wirtschaftsinformatiker. Insgesamt 730 Bedienstete forschen ab jetzt im Science Park.

Im Inneren deutet schon der eine oder andere Pizzakarton in den Teeküchen und auf dem Boden an, dass man sich hier zu Hause fühlt, auch die ersten Sofas wurden bereits gesichtet. Platz für solch informelle Wohnlichkeit gibt es genug in den breiten, luftigen Fugen zwischen den zweihüftigen Bürotrakten.

Austausch und Geplausche

"Ein einfacher Riegel mit zwei Meter breitem Gang und Türen rechts und links wäre natürlich effizienter", sagt Aspetsberger, "aber Forschung passiert nicht nur in der kleinen Bürozelle, sondern auch in der Kommunikation." Aufgrund einer Verbindung mittels Lufträumen und im Zickzack über alle Geschoße durchrauschenden Treppen wird intermechatronischem Austausch und informellem Informatikergeplausche der Weg geebnet. "Forscher sollen durch die Räume, in denen sie arbeiten, inspiriert und angeregt werden", stimmt auch JKU-Rektor Richard Hagelauer zu.

Um die Anregung zu unterstreichen, griff man dabei lustvoll in den Farbtopf: Das Innenleben jedes Fingers bekam einen anderen Anstrich: Grasgrün, Knallgelb und im neuesten Bauteil eine Art Automatenkaffeebeige. "Vielen hat das am Anfang überhaupt nicht gefallen. Aber die Farbe hält den Raum zusammen, da macht es auch nichts, wenn die Mistkübel wild in der Gegend herumstehen", sagt Aspetsberger.

Betonkern und Brücke

Das Spielerische täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass ein technisches Universitätsgebäude heutzutage ein hochkomplexes Bauwerk ist. Neben vielen Eimern Farbe ist daher vor allem einiges an Know-how in die Knochen und Muskeln der Finger geflossen. Dank Bauteilaktivierung reguliert der Betonkern ohne lästige Klimaanlagenluft die Temperatur, im luftig hochgestemmten Bauteil 1 sorgt eine 160 Meter lange Brückenkonstruktion für Stabilität.

Dabei unterscheidet sich jeder der drei Finger in seinen Knicken und in der matt spiegelnden Aluminiumfassade subtil vom anderen. Mit der gleichen Freude am Kanten und Knicken durchkreuzt der Weg vom alten Campus die drei Finger, nachdem er die dazwischen liegende Straße durchtaucht hat. In Zusammenarbeit mit dem Landschaftsplanungsbüro idealice wurde der Weg mit einem übermütigen Leitsystem aus weißen Strichen, Bändern und Pfeilen garniert, das sich bis in die Foyers fortsetzt.

Tore gegen Partys

So ansteckend war der zielführende Zickzack, dass die Uni nun einerseits plant, das Strichsystem auf das gesamte Gelände auszudehnen, andererseits die Unterführung mit abschließbaren Toren ausstattete, um der Eventualität witterungsgeschützter spontaner Studentenpartys einen Riegel vorzuschieben. Zu viel Spaß soll im Zickzack eben auch nicht sein.

Preislich ist der Science Park mit 84 Millionen Euro Errichtungskosten das bisher günstigste Universitätsgebäude der Bundesimmobiliengesellschaft, die als Auftraggeberin fungiert. "Das zeigt, dass gute Architektur nicht teuer sein muss", heißt es bei der BIG.

Für den bereits geplanten vierten Bauteil sucht man zurzeit noch Mieter, vor allem im IT-Bereich. "Wenn wir genügend Partner zusammenhaben, können wir loslegen - ich schätze, das wird in etwa zwei bis drei Jahren der Fall sein", sagt JKU-Rektor Hagelauer zum STANDARD.

Baulich haben sich die forschenden Finger längst wie selbstverständlich in die Umgebung eingefügt. Auch wenn sie in der Linzer Randlage erst auf den dritten Blick zu finden sind.

(erschienen in: Der Standard, 5./6.1.2013)