Der 56jährige Deutsche Peter Wawerzinek gewann zurecht den Bachmannpreis. Die Österreicher gingen leerer aus als verdient.
“Was machst du gerade, Schatz?“ – „Ach, ich schreibe nur eine Parabel auf meine Generation”. Diesen Dialog wird man in Schriftstellerwohnzimmern niemals hören, denn kein Mensch schreibt Parabeln auf Generationen.
Trotzdem wird die so schön griffige, vermeintlich alles erklärende Klammer von “Generation” und “Jahrgang” von Literaturkritikern immer wieder ersehnt und postuliert. Und da die Juroren des Ingeborg-Bachmann-Preises, der letztes Wochenende zum 34.Mal in Klagenfurt stattfand, Literaturkritiker sind, tauchte auch dieses Jahr die Sache mit der Generationenparabel wieder auf.
Wenn sich der Literaturbetrieb am sommerlichen Wörthersee trifft, gehört es zum Ritual, dass zwischen Backstage, Biergarten und Badehandtuch ständig diskutiert wird, ob dieser Jahrgang nun anders oder besser ist oder (so der übliche Tenor) eh alles immer schlimmer und langweiliger wird - so als könnten 14 Texte eine Grundlage für Diagnosen des Gesamtzustands der Literatur sein.
Die Frage der generationenspezifischen Aussagen relativierte sich schon dadurch, dass der Preisträger Peter Wawerzinek Jahrgang 1954 ist und sein verdient ausgezeichneter Romanauszug „Rabenliebe“ über eine Kindheit im DDR-Waisenhaus auf eigenen Erlebnissen beruht, „da steckt echter Lebensschmerz dahinter“, wie es in der Laudatio hieß. Wenn es dieses Jahr ein Leitmotiv der Diskussion gab, dann war es der nebulös formulierte Gegensatz von erlebter Authentizität und „herzlosen“, konstruierten Texten. Man war auf Kuschelkurs. Immerhin wurde Aleks Scholz’ distanziert-präzise Provinzdoku mit dem Ernst-Willner-Preis ausgezeichnet.
Die drei österreichischen Autoren schafften es nicht einmal auf die Shortlist, was im Fall von Josef Kleindiensts sprachlich entgleistem, zwischen „Hundstage“ und Jugendbuch angesiedeltem Nahverkehrsgewaltporno nicht überraschte; dass das überbordende Wortrauschen der zwischendurch als Mitfavoritin gehandelten Verena Rossbacher komplett leer ausging, verwunderte dann aber. Vielleicht waren die Juroren vom dramatisch duttschleudernden Overacting ihrer Leseperformance verschreckt worden. Überhaupt wirkte die Jury oft missgelaunt und lustlos, vor allem zwischen Karin Fleischanderl, die ihre Position als grimmig-solitäre Festung des österreichischen Sprachverständnisses patzig verteidigte, und dem eloquenten, aber seltsam säuerlichen Juryvorsitzenden Burkhard Spinnen schien die Chemie nicht zu stimmen.
Skandale und Überflieger blieben aus, auch große Neuentdeckungen waren nicht zu vermelden. Das Badewetter war allerdings hervorragend. Ein guter Jahrgang, die Generation von 2010.
(erschienen in FALTER 26/2010)