Jahrzehntelang war das malerische Castelfalfi leer und verlassen. Jetzt wurde es vom deutschen TUI-Konzern gekauft und zum Nobel-Resort veredelt - und mutet toskanischer an als die Toskana selbst.
Das typische Bild der Toskana könnte wohl jedes Kind im Schlaf aufzeichnen. Standard-Zubehör: Steinerne Städte auf grünen Hügeln, schlanke Zypressen, einsame Bauernhäuser, und das weltweit als unvergleichlich bekannte sanft goldene Licht. Man kennt das, und doch ist man erstaunt, dass die Toskana, wenn man sich in ihr befindet, tatsächlich exakt so aussieht wie aus Prospekten und Werbespots bekannt.
Auf einem Bergsporn über wogenden Feldern thronend, passt das Dorf Castelfalfi perfekt in dieses Bild: es duftet nach Rosmarin, es wuselt die Eidechse, aus dem Ginster lugen romantische Ruinen. Dass diese auch von Scheitern und Entbehrung künden, ist dabei leicht zu übersehen. Nachdem die örtliche Tabakfabrik in den 1960er Jahren zusperrte, wurde das Dorf bis auf ein paar Ferienhäuser verlassen, das Kastell stand leer, die Kirche zerfiel.
Doch nähert man sich dem Ort heute, sieht man schon von weitem zwei Kräne aus den Kiefern ragen: Es tut sich was in Castelfalfi. Auf dem Dorfplatz steht Martin Schlüter und freut sich. Es ist sein Dorf. Schlüter, ein großgewachsener, jovialer Deutscher, war Jahre zuvor, auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern für den deutschen Reiseriesen TUI, auf den verlassenen Ort gestoßen. Seine Idee: Ein ganzes Dorf als Nobel-Resort. "Die Toskana als Marke ist unzerstört und unzerstörbar und funktioniert auch in Krisenzeiten", erklärt Schlüter. Der Toskana-Urlauber will schließlich kein Touri-Dorf aus der Retorte, er sucht das Authentische.
2007 kaufte die TUI die 11 Hektar Land, rund 250 Millionen Euro werden bis zum Abschluss des Projekts investiert sein. Apartments in den restaurierten Häusern des Dorfkerns, ein Hotel in der alten Tabakfabrik, eine Handvoll neue "Villagi" im toskanischen Stil. Die zerfallenen Bauernhäuser werden zu Nobelimmobilien, ein 27-Loch-Golfplatz war praktischerweise schon vorhanden. Doch zuerst mussten italienische Bürokratie und Vorbehalte in der zuständigen Gemeinde Montaione überwunden werden. "Man war mißtrauisch gegenüber uns als Großkonzern - il colosso hieß es. Deshalb gab es eine intensive Bürgerbeteiligung, die sehr wichtig war, um die Zustimmung zu bekommen", erzählt Schlüter.
2011 durfte endlich gebaut werden, heute ist ein Fünftel der Apartments verkauft. Anfang Mai konnten die betuchten Interessenten erstmals ins Show-Apartment schnuppern. Italienisches Design und Ausstattung vom Feinsten - vor allem für den deutschen Kunden muss es eben auch in der Toskana ein Miele-Herd sein. Dazu Rundum-Service von Kühlschrankbefüllung bis zum Hausgärtner, nachts patrouilliert die Security. Die Läden an der Dorfstraße werden Käse und Salami verkaufen, Wein und Olivenöl werden vom Resort selbst produziert. Und um die Toskana-Wunschliste abzurunden, wird es Mal- und Töpferkurse im Castello geben, das hoch über dem nach Aquarell-Abbildung verlangenden Panorama thront.
Trotz deutscher Gründlichkeit soll Castelfalfi jedoch auf keinen Fall eine deutsche Enklave werden, betont CEO Stefan Neuhaus. Käufer und Interessenten sind international gemischt, man bemüht sich besonders um Italiener. Denn schließlich suchen alle das Eine, das Bild der Toskana, wie sie es kennen. Und wenn die Kräne 2013 ihr Werk vollendet haben, wird das schöne Castelfalfi das toskanischste aller Dörfer sein.
(erschienen in gekürzter Form in: Der Standard / RONDO, 8.6.2012)