Die marode gewordene Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing wird ab September generalüberholt.
Katzen räkeln sich in sonnigen Vorgärten, zwei Damen plaudern am Gartentor vor einem weißen Würfelhaus im Tannengrün. „Hier kennt jeder jeden, wir fühlen uns wohl“, sagen sie – idyllische Dorfatmosphäre im noblen Hietzing. Mit der kleinen Besonderheit, dass das weiße Würfelhaus von Adolf Loos stammt. Doch auf den zweiten Blick entdeckt man überall morsche Fenster und feuchte Schlieren an den abblätternden Putzfassaden.
Was woanders noch als altersüblicher Bauschaden durchgeht, ist bei der seit 1978 denkmalgeschützten Werkbundsiedlung so gravierend, dass sie vor kurzem vom World Monuments Fund auf die Watchlist für bedrohte Baudenkmäler gesetzt wurde.
Die 70 Häuser umfassende Siedlung wurde 1932 unter der Leitung von Josef Frank von 31 namhaften in- und ausländischen Architekten wie Gerrit Rietveld, Oswald Haerdtl und, als einzige Frau, Margarete Schütte-Lihotzky, errichtet und ist ein einzigartiges Konzentrat erstklassiger moderner Architektur. Die Zukunft des leistbaren Wohnens sollte hier exemplarisch gezeigt werden. Dabei suchte man den Mittelweg zwischen der technizistischen Hygiene der linientreuen Moderne und dem roten Wiener Wohnbau, der bei den Werkbund-Architekten als kleinbürgerlich galt. Fortschritt und Gemütlichkeit auf minimalem Raum also – eine sehr wienerischer Mischung.
Der krisengebeutelte und konservative Mittelstand konnte sich die teuren Häuser aber kaum leisten. Nur 14 Häuser wurden verkauft, die restlichen blieben im Besitz der Stadt. Durch diesen jahrelangen Leerstand waren schon 1938 die ersten Sanierungen notwendig.
Nach dem Krieg geriet die Siedlung bald in Vergessenheit und war in den 1970er Jahren in desolatem Zustand. Eine Renovierung durch Adolf Krischanitz, die nachträgliche Umbauten der Bewohner mitberücksichtigte, verhinderte 1985 das Schlimmste.
25 Jahre später stehen nun abermals dringende Sanierungen an. „Die Keller sind ständig feucht und im Sommer ist es drinnen backofenheiß“, klagen die beiden Damen am Gartentor. Doch Hilfe naht: Kellerwände und Dächer werden isoliert, Fenster instandgesetzt. „Für das Sanierungskonzept wird alles auf Herz und Nieren geprüft“, erläutert Dr.Friedrich Dahm, Landeskonservator für Wien beim Bundesdenkmalamt. „Nicht nur Fassaden, Fenster und Gartenwege, sondern auch die Inneneinrichtung wird einer Bestandsaufnahme unterzogen.“ Ein radikales Wiederherstellen des Originalzustands ist aber, so Dahm, nicht geplant.
Der große Aufwand ist Programm: Letzte Woche gab Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bekannt, dass die eigens gegründete WISEG (Wiener Substanzerhaltungsgesellschaft & Co KG) mit der grundlegenden Sanierung der Siedlung beauftragt wurde. Das Budget beläuft sich auf 10 Millionen Euro, Ende des Jahres soll mit den Arbeiten begonnen werden. Für freiwerdende Wohnungen wünscht Ludwig sich „architekturaffine“ Neumieter. Die Bewohner haben dafür nur ein Lächeln übrig. „Wir wohnen alle sehr gerne hier.“, sagen die Damen stolz. „Und wir wissen sehr wohl, was wir an den Bauten haben.“ Die Bewohner des modernen Dorfes sind schließlich längst architekturaffin.
(in kürzerer Fassung erschienen in Falter 33/2010)