Dominique Perrault baut in Wien das höchste Gebäude Österreichs. Ein Gespräch über die Herausforderungen der Donau-City
Für die noch unbebauten Teile der Donauplatte entwarf der französische Architekt Dominique Perrault den Masterplan, bestehend aus einer langen Terrasse zur Neuen Donau und den Zwillingstürmen der DC-Towers. Mit 220 Metern wird der zurzeit noch in Bau befindliche DC Tower 1 bei seiner Fertigstellung Mitte nächsten Jahres das höchste Gebäude Österreichs sein. Er wird den Millennium Tower um 18 Meter überragen. Der Baubeginn des zweiten Turms ist noch ungewiss. Heute, Samstag, wird Dominique Perrault auf dem Turn-On-Architekturfestival im Radiokulturhaus das Projekt vorstellen.
STANDARD: Die Donau-City hat es bis heute nicht geschafft, ein lebendiger urbaner Ort zu werden. Können die DC Towers das ändern?
Perrault: Die Straßenebene der Donau-City ist bis heute sehr unfreundlich und hat keine Verbindung zum Fluss. Dabei ist die Neue Donau und der Blick auf die Stadt hier das wichtigste Element. Als ich vor acht Jahren den Masterplan vorschlug, wollte ich eine besondere Skyline schaffen. Ganz einfach mit einer vertikalen Silhouette durch die Türme und einer horizontalen, einem funktionierenden Übergang zur Neuen Donau. Die Donau-City ist sehr hart, sehr mineralisch. Mit der Terrasse über die ganze Breite bringen wir ein weiches, landschaftliches Element hinein.
STANDARD: Die Donau-City ist berüchtigt für die heftigen Windböen zwischen den Hochhäusern. Werden Sie versuchen, hier gegenzusteuern?
Perrault: Wir arbeiten mit Windtunnelspezialisten zusammen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Zwischen den beiden DC Towers werden wir Schirme aus Metallgewebe installieren, die gegen die Fallwinde schützen, damit man den Platz nutzen kann.
STANDARD: Warum war es so wichtig, dass der Turm das höchste Gebäude in Österreich wird?
Perrault: Das war ein langer Prozess. Wir haben uns mit dem Investor, der Stadt, meinen Wiener Partnern und Architekten wie Hans Hollein zusammengesetzt. Es gab Workshops in Wien und Paris. Ein Jahr lang haben wir Ideen entwickelt, Bauvolumen gedreht und geschoben, und allmählich ist die Form entstanden. Sozusagen am runden Tisch. In Paris wäre so etwas unmöglich.
STANDARD: Warum?
Perrault: Ein Workshop ist ideal, weil man das, was die Leute wollen, integrieren kann und man ihre Motive besser begreift. In Frankreich redet man immer nur mit dem Kunden oder mit der Stadt. Dann geht man nach Hause, ändert alles, und es fängt wieder von vorn an. Das dauert natürlich ewig. Wir arbeiten am Projekt Grand Paris, das jene Vororte besser an die Stadt anbinden soll, die einen sehr schlechten Ruf haben. Eine gemeinsame Metropole soll so entstehen. Aber man bekommt die Leute nicht an einen Tisch, man kommt nicht voran.
STANDARD: Warum bauen Sie zwei Türme?
Perrault: Ein einzelner Turm wäre ein stummer Solitär gewesen, zwei können einen Dialog führen. Und das Wichtigste: Sie bilden ein Tor. So ergibt sich für die Fußgänger automatisch ein eindeutiger Übergang von U-Bahn und Donau zur Donau-City. Das Haupttor des ganzen Gebiets. Wir können dort nicht mehr alles ändern, aber wir können eine Diversität hineinbringen.
STANDARD: Wird es diese Diversität in den Türmen selbst geben?
Perrault: Da ist ein ganz wichtiger Punkt. Im Turm 1 wird es ein Hotel mit 170 Zimmern geben, darüber Büros, ganz oben Apartments. Der zweite Turm umfasst nur Büros und Wohnungen. Die Mischung ist wichtig, um das städtische Leben zu verbessern, aber wir haben noch sehr wenige Erfahrungen in diesem Bereich. In Paris versuchen wir es, die Politik will es, aber es gibt sie noch nicht.
STANDARD: Warum nicht?
Perrault: Die Entwickler scheuen sich davor. Sie haben Angst, das Bauwerk nicht mehr so einfach weiterverkaufen zu können. Die Schwierigkeit ist, wie ein Investor verschiedene Nutzungen kontrollieren kann.
STANDARD: Gibt es für den zweiten Turm schon einen fixen Baubeginn?
Perrault: Bei Immobilien ist nie etwas fix. Aber ich bin zuversichtlich - ich bin ein optimistischer Architekt! Der zweite Turm ist sehr wichtig für die Skyline und als Symbol.
DOMINIQUE PERRAULT (58), geboren in Clermont-Ferrand, gewann 1990 als unbekannter junger Architekt den Wettbewerb für die Pariser Nationalbibliothek. Seitdem ist er einer der führenden Architekten Frankreichs. In Österreich baute er 2002 das neue Rathaus von Innsbruck.
(erschienen in: Der Standard, 10./11.3.2012)