Das Designduo Dottings denkt Einfachstes neu. Pünktlich zur Vienna Design Week kommen nun Töpfe für Riess Email auf den Markt. Ausgerechnet? Typisch!
Produktdesign, so die grob vereinfachte landläufige Meinung, macht Dinge neu und besser oder lässt sie zumindest neu und besser aussehen, damit die Menschen sie kaufen. Aber was gibt es an einem Produkt, dessen Markteinführung in etwa auf das Neolithikum datiert, noch zu verbessern? Die Rede ist hier vom Kochtopf. Hat die Menschheit in den über 10.000 Jahren des Hantierens mit Töpfen und den dazugehörigen Deckeln nicht das Prinzip „rundes Kochgefäß“ längst perfektioniert?
Töpfe sind so ziemlich das Erste, was einem ins Auge fällt, wenn man die hellen, aufgeräumten Atelierräume des Designduos Dottings im 9. Bezirk betritt. Und die Kochgefäße, die Katrin Radanitsch und Sofia Podreka sorgfältig auf ihrem Arbeitstisch gestapelt haben, wirken ganz und gar unsteinzeitlich. Die dezent bunten Töpfe sind so schlicht und selbstverständlich in ihrem Topf-Sein, dass sie überhaupt keiner Epoche anzugehören scheinen. Sicher ist nur, dass man auf jeden Fall den sofortigen Drang verspürt, sie zu benutzen und mit Essbarem zu füllen.
Wie kommt es, dass sich zwei junge Designerinnen mit ausgerechnet diesem Thema auseinandersetzen? Es war so: Dem in Ybbsitz/NÖ angesiedelten Traditionsbetrieb Riess, der seit gut 80 Jahren Töpfe und Pfannen aus Email herstellt, war eines Tages aufgefallen, dass diesem langlebigen und soliden Material das etwas behäbige Image des Großmütterlichen anhing. Das ist im Küchenbereich keineswegs schlecht, doch es sollten neue Zielgruppen angesprochen werden, und so wurde das 2006 gegründete Designbüro Dottings beauftragt, zusammen mit den Technikern des Familienbetriebs eine neue Produktlinie zu entwickeln. Zwei Jahre später kommen nun die frisch getauften „Aromapots“ unter dem Label „truehomeware made in Austria“ auf den Markt, und die Designerinnen sind längst zu Email-Expertinnen geworden.
„Für einen Topf sind 35 Arbeitsschritte nötig – sowohl maschinell als auch von Hand“, erklärt Katrin Radanitsch. Ein Aufwand, der sich lohnt: „Gerade für die heutigen Kochbedürfnisse ist Email ideal: Es beeinflusst den Geschmack nicht, Gemüse verliert nicht die Farbe wie bei Edelstahltöpfen, und weil es keine Schadstoffe abgibt, ist es auch für Allergiker geeignet. Außerdem wird beim Emailtopf der Inhalt gleichmäßig von allen Seiten erhitzt.“ Keine Frage, dass im Zuge des Produktdesigns auch Feldversuche in der eigenen Küche unternommen wurden und Radanitsch und Podreka inzwischen auch zu Hause nur noch in Email kochen.
Das Besondere an den Aromapots: Topf, Deckel und Griffe sind ganz und gar aus Email, ohne Angeschraubtes und Aufgestecktes. Für den aufgerauten Topfrand ohne den sonst üblichen schmutzkrustenanfälligen Edelstahlring wurde bei Riess extra eine neue Maschine angeschafft. Email, das glasähnliche Silikat, in das der eiserne Topfrohling getaucht wird, hat seine eigenen Gesetze: „Wenn die Radien zu eng sind, platzt das Material ab“, erklärt Sofia Podreka. „Auch bei der Farbgebung ist man eingeschränkt, weil Email nie ganz farbecht ist, es gibt immer leichte Abweichungen.“
Aus der von Riess bereitgestellten Farbpalette wurden nach vielen Probeläufen fünf Farben für die Aromapots ausgesucht: Weiß, Hellgrau, „Dark Aubergine“, „Slow Green“ und „Silent Blue“. Still, dunkel und langsam: Die Dezenz im Design ist also schon in der Namensgebung verankert. So ein Produkt braucht schließlich keine schrillen Farben, um zu beeindrucken. Es überzeugt anders. Da ist zum Beispiel der Trick mit dem Deckel: Dieser kann die Seiten wechseln und lässt sich zum Servieren gleich als Topfuntersetzer verwenden.
Das Aromapots-Set kommt dieser Tage auf den Markt und sorgt schon jetzt für erwartungsfrohes Raunen in der globalen Kochwelt: „Die Japaner und Franzosen warten schon darauf, die kennen sich schließlich mit schwerem Kochgeschirr aus“, freuen sich die Designerinnen. Auch die ebenso schmoraffinen Briten haben bereits Interesse bekundet. Vorratsdosen mit Holzdeckeln, Topflappen und schicke Kartonverpackung im passenden Design bekommen sie gleich noch dazu.
Das ökonomische Denken gehört für Dottings sozusagen zum Gründungsmythos: Nachdem Katrin Radanitsch und Sofia Podreka an der Universität für angewandte Kunst studiert hatten, war ihr erster Auftrag nach der Gründung des gemeinsamen Studios die Entwicklung eines Brettspiels für Betriebswirtschaftler. „So hatten wir gleich am Anfang einen Crashkurs über Wirtschaft.“
Bereits 2007 folgte die Einladung zur Vienna Design Week. Inspiriert von den Räumlichkeiten des altehrwürdigen Hotels König von Ungarn beschäftigten sich Dottings mit traditionell Stofflichem wie Fransen, Quasten und Borten und entwarfen für Ligne Roset eine barock anmutende Fransenleuchte, die dann in Serie ging.
Bei der diesjährigen Designwoche sind Dottings gleich zweimal vertreten: Im Wien Museum werden sie gemeinsam mit sieben anderen Jungdesignern vorgestellt, auch hier werden Töpfe und Leuchten präsentiert. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei eindeutig auf dem Topf: „Obwohl wir gerne Lampen und Garderoben entwerfen, fühlen wir uns dem Produkt mehr verbunden als dem Möbel“, stellt Radanitsch klar. So überrascht es auch nicht, dass sie unter dem etwas pompösen Motto „Nachhaltigkeit – Lifestyle – Urbanität“ vom Einwegkapselröster Nespresso eingeladen wurden, sich Gedanken über die ökologischen Aspekte des Kaffeekonsums zu machen. Hierfür konzipierten die beiden ein augenzwinkernd „Grand Crus Cup Parade“ benanntes Kaffeeservice aus recycelten Aluminiumpads, als Prämie für Kunden, die ihre gebrauchten Kapseln zurückgeben.
Die Prototypen für die Tassen sind zurzeit in Produktion, der dazugehörige „Eco-Pass“ liegt bereits auf dem Arbeitstisch, trägt die Nummer 1 und ist ausgestellt auf – natürlich – George Clooney.
Bei allem Humor ist es den beiden Designerinnen mit dem ökologischen und sozialen Aspekt ihrer Arbeit durchaus ernst. Auf dem Tisch neben den Aromapots wartet schon die nächste Aufgabe – Bürsten und Besen in allen Formen; Recherche für das Projekt, der Blindenwerkstätte Wien zu einem wettbewerbsfähigen und ansprechenden Produktsortiment zu verhelfen.
Tassen, Töpfe, Bürsten – man könnte meinen, der Schwerpunkt Haushalt wäre Programm. „Nein, das ist Zufall“, sagt Radanitsch. „Wir interessieren uns genauso für Design im öffentlichen Raum. Und wir würden auch jederzeit gerne ein Auto bauen.“
(Erschienen in Falter 39/2010)