Wie sexy ist eigentlich moderne Architektur? Die Ausstellung "Playboy Architektur " in Frankfurt gibt Antwort: sehr sexy
Sie kommt nach dem Theater noch mit hoch, er legt eine Jazz-LP auf, sie holt sich einen Happen aus der Küche, er mixt Cocktails, man wechselt zur Terrasse, kommt sich vor der blinkenden Skyline näher. Nachdem diverse Designklassiker wie der Butterfly Chair und der Eero-Saarinen-Sessel umkurvt werden, endet der Parcours im Schlafzimmer.
Was wie die Kurzfassung eines Bildungsbürger-Pantscherls klingt, ist im Grunde die Legende zu einem architektonischen Plan. Zum Plan eines geschmackvollen, detailliert gezeichneten Designlofts, wie man es in einer Architekturzeitschrift erwartet. Und zum Plan einer sexuellen Eroberung in 25 Schritten, einem Handbuch für den James Bond in jedem Mann. Darüber der Titel "Playboy's Progress". Denn genau im Playboy erschien die Doppelseite 1954.
Nur wegen der Artikel
Man lese den Playboy ja nur wegen der Artikel, lautet die üblicherweise mit Eh-klar-Augenzwinkern quittierte Ausrede. Dass man das Herrenbeglückblatt nicht nur wegen Interviews mit John Lennon oder Kurzgeschichten von Vladimir Nabokov, sondern genauso als Architekturmagazin lesen konnte, beweist die Ausstellung "Playboy Architektur 1953-1979", die vergangene Woche im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt eröffnet wurde. Die Schau, 2012 mit großem Publikumserfolg in Maastricht gezeigt, wurde von Beatriz Colomina, Professorin an der Princeton University, konzipiert. Die Bibliothekare in Princeton hätten auf ihre Bitte, zu Forschungszwecken 30 Jahrgänge Playboy anzukaufen, irritiert reagiert, erzählte sie anlässlich der ersten Ausstellung.
Die These von Colomina nach dem Studium der Magazine: Der Playboy habe mehr für die Verbreitung moderner Architektur und Designs getan als seriösere Fachblätter. Ist das 1953 von Hugh Hefner gegründete Blatt also eine Art Stilfibel mit Girls? In der Tat war der Playboy in seiner Anfangszeit erstaunlich nah am Puls des internationalen Stils. "Die Designmagazine waren damals brav und konservativ", sagt Evelyn Steiner, die die Ausstellung am DAM betreut. "Hefner war dagegen ein visionärer Denker, eine Art urbaner Pop-Architekt. Er hat die Stadt der Vorstadtidylle vorgezogen. Im Hintergrund der Abbildungen blinkt immer die Silhouette seiner Geburtsstadt Chicago."
Mit Witz und Lässigkeit
Dabei begnügte sich Hefner nicht damit, ein paar zeitgenössische Sessel dekorativ ins Bild zu rücken. Architektur wurde durchaus ernst genommen, wenn auch mit weit mehr Witz und Lässigkeit, als es heute penibel nachempfundene, sterile Kulissen von Retro-Serien wie Mad Men glauben machen. Das eigens für den Playboy konzipierte Penthouse Apartment, dem die Septemberausgabe 1956 stolze sechs Seiten widmete, wurde unter anderem von Charles Eames entworfen. Das großzügige Loft ist ebenso eindeutig in der aufregenden Metropole angesiedelt wie das Playboy Townhouse (nach Plänen von Hefner selbst), in dem die Schnauze des E-Type-Jaguars zart die Wand zum Pool touchiert. Wie alle im Playboy gezeigten Wohnungen sind es mondäne Junggesellenbuden, deren vollautomatischen Küchen ganz ohne Beteiligung einer Gattin auskamen. Ungewohnt in Zeiten, da Inneneinrichtung noch als weibliche Domäne galt.
Um den ewigen Junggesellen à la James Bond trotz edler Dekostoffe und polierten Mahagonis nicht in seiner Männlichkeit zu verunsichern, wurde die Möblierung als perfektes Mittel zur Eroberung herausgestellt - der Weg ins Bett führte über die Sessel. "Stühle wurden mit sich darauf räkelnden Playmates als Verführungsinstrument abgebildet", sagt Steiner. "Das funktionierte wie eine Kaufanleitung: Der Leser konnte sich so einen Teil des Playboy-Glamours zu eigen machen."
Mondäne Junggesellenbuden
Nicht nur den Möbeln und Häusern, auch den Architekten selbst wurde im Playboy ein sinnlicher Rahmen geboten. The Master Builder lautete 1954 der Titel eines Porträts von Frank Lloyd Wright, in dem natürlich die ungebundene Jetsethaftigkeit des Jaguar fahrenden Stararchitekten erwähnt wurde, dessen in der Tat abenteuerliche Biografie allerdings zu diesem Zeitpunkt schon im neunten Lebensjahrzehnt angekommen war. Wenig später schob Mies van der Rohe sein kantig-viriles Profil ins Bild, und in den 1960er-Jahren durfte Buckminster Fuller visionär über die "Stadt von morgen" fabulieren. Der Architekt als Einzelgänger und Pionier, der heroisch in die Zukunft blickt. Wer die Kurven geodätischer Kuppeln bändigt, so der Unterton, kennt sich auch mit weiblichen Kurven aus. Und für die Architekten war der Playboy mit seinen bis zu sieben Millionen Lesern das ideale Mittel, um potente Kunden zu werben.
Als dieser Zukunftsoptimismus in den 1970ern dank Vietnam und Watergate an Glanz verlor, vollzog auch der Playboy die Rückkehr ins Innere. Urbane Lofts waren weniger erstrebenswert in Zeiten, da New York zu pleite, Chicago zu kriminell und Detroit entvölkert war. Die Junggesellenbuden der Siebziger sind architektonisch immer noch innovativ, aber isoliert und idyllisch - am Strand von Malibu, in der Wüste, im Wald. John Lautners luxuriöse Landsitze, deren Panoramafensterfronten sich für sich fotogen räkelnde Playmates bestens eigneten, waren die Playboy-Architektur dieser Zeit.
Geschäfte vom Bett aus
Weiter ins Innere drangen auch die Möbel. Keine 25 Schritte mehr zum Schlafzimmer, das Bett wurde jetzt selbst zur Wohnung. Schließlich tätigte Hugh Hefner selbst seit 1960 seine Geschäfte am liebsten vom Bett aus, das er ungern verließ, außer um in seinen ebenfalls mit Betten ausgestatteten Privatjet zu wechseln. Wie riesige Plüschinseln sind diese Betten in den Playboy-Features verankert, ausgestattet mit Hausbar, Telefon, Fernseher und Stereoanlage, oder drehbar und mit "three motor vibrator system" für die "gentle pre-sleep massage" oder den "wake-up shake". Schutzbedürftig kuschelt sich der Junggeselle in diese embryonale Wohnwelt Marke Verner Panton.
Die Playboy-Jahrgänge, die in der Frankfurter Ausstellung zu sehen sind, enden im Jahr 1979. Die James Bonds der 80er-Jahre waren grimmige Einzelgänger, Kämpfer mit Knarre, ohne Witz und Eleganz. "Ab den 80ern war die goldene Zeit des Playboy vorbei", konstatiert Steiner. "Es gab immer mehr Magazine, außerdem Video und Privatfernsehen. Vermutlich konnte Hugh Hefner auch mit der damals aktuellen postmodernen Architektur nicht mehr viel anfangen." Heute begnügen sich Männermagazine mit Listen von Vitaminpräparaten zum Muskelaufbau. Das wäre dem Junggesellen von 1954 nie eingefallen. (Maik Novotny, DER STANDARD, Album, 22.2.2014)
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